Die Schreckenskammer
zu George gehen sollen. Seine Mutter und ich haben unsere Planungen so aufeinander abgestimmt, dass an den Nachmittagen immer eine von uns beiden zu Hause ist. Gott sei Dank können wir beide von zu Hause aus arbeiten. Man muss die Jungs nicht mehr direkt überwachen, es muss einfach nur immer ein Erwachsener verfügbar sein. Es ist ein gutes Arrangement, das ausgezeichnet funktioniert hat. Bis jetzt.«
»Wie kommt Nathan von dort nach Hause?«
»Er ruft an, und ich hole ihn ab. Normalerweise gegen halb sieben oder sieben, denn zu diesem Arrangement gehört immer auch das Abendessen.«
»Klingt einleuchtend.«
»Ja.« Sie zog ein Taschentuch aus einem Spender, der auf dem Tisch zwischen uns stand, und wischte sich die Nase. »Es ist schön, wenn man nicht nach Hause rasen und schnell ein Abendessen zusammenschustern muss.«
Am liebsten hätte ich gelächelt und ja, ich weiß gesagt, denn genau das musste ich jeden Tag tun, wenn ich meine normale Tagesschicht arbeitete. In der vergangenen Woche hatte man mir vorübergehend die Abendschicht übertragen, weil eine ganze Reihe von Detectives wegen eines Bioterrorismus-Lehrgangs nicht in der Stadt waren, die Dienststelle aber auch nachts besetzt sein musste. Tags darauf sollte ich wieder mit der Tagesschicht anfangen. Meine Kinder wohnten in dieser Woche bei ihrem Vater, und so war er zur Abwechslung derjenige, der nach Hause rasen und für das Abendessen sorgen musste. Es war gut zu wissen, dass er sich das Gejammer über Aber ich mag keinen Hackbraten-Burger und kein Käse-Hühnchen anhören musste. Evan ist ein entsetzlicher Esser, er hasst so ziemlich alles. Frannie isst alles, was sie sieht, aber nichts, was gut für sie ist. Bei Julia bin ich mir noch nicht ganz klar. Gott sei Dank sind sie nicht allergisch auf irgendwelche Nahrungsmittel, denn sonst müsste ich wahrscheinlich aufgeben.
Sorry, nicht der richtige Zeitpunkt, um in eigene Probleme abzudriften.
»Es wurde fast acht«, hörte ich Mrs. Leeds sagen.
»Rief er normalerweise vor dieser Uhrzeit an?«
Ein schlechtes Gewissen breitete sich über ihr Gesicht aus und trübte ihren Ausdruck noch mehr. »Ich habe nicht angerufen, weil ich die Ruhe wirklich brauchen konnte. Ich arbeite Vollzeit, und da kommt mein Privatleben viel zu kurz. Ich habe keine Zeit, die Sachen zu machen, die mich glücklich machen. Ich habe heute zum ersten Mal seit Monaten meine Stickarbeit wieder herausgeholt.«
Die arme Frau; wahrscheinlich würde sie nie mehr Stickarbeiten machen.
»Aber als es dann doch so spät wurde, rief ich dort an, und Georges Mutter sagte …«
Es schnürte ihr die Kehle zu, und sie schwieg einige Augenblicke; ich tat nichts, sagte nichts, beobachtete sie einfach nur.
»Sie sagte mir, George habe gesagt, dass Nathan heute überhaupt nicht in die Schule gekommen sei.«
»Geben Sie sich normalerweise gegenseitig Bescheid, wenn so etwas passiert?«
»Nein. Normalerweise nicht. Ich meine, wenn der Junge nicht in der Schule ist, nimmt man doch automatisch an, dass er krank zu Hause liegt und die Mutter Bescheid weiß, nicht?«
Das war der Fehler, mit dem sie den Rest ihres Lebens würde zurechtkommen müssen. »Ja«, sagte ich leise. »Wir müssen einen Zeitplan aufstellen für jeden, der Nathan heute sah. Und für jeden, der ihn zu sehen erwartete, es aber nicht tat.«
»Sofort nach dem Gespräch mit Nancy – Georges Mutter – rief ich den Schulleiter an. Der rief Nathans Klassenlehrerin an, und die sagte ihm, dass Nathan überhaupt nicht in der Schule gewesen sei.«
»Die sind nicht computerisiert?«
»Noch nicht.«
Schulleiter, Klassenlehrerin, schrieb ich in mein Notizbuch. »Sie müssen mir noch sagen, wie ich die beiden erreichen kann. Aber bitte fahren Sie fort.«
»Das ist alles. Er tauchte einfach nicht dort auf, wo er auftauchen sollte.«
»Die Schule verfährt also nicht so, dass in einem solchen Fall sofort die Eltern benachrichtigt werden?«
»Nein.«
Kaum zu glauben, aber die Bestimmungen schrieben das noch nicht vor. Das Verfahren würde allerdings ab dem nächsten Tag eingeführt werden. Dafür würde ich sorgen.
Ellen Leeds zeigte mir den Weg, den Nathan zur Schule gegangen wäre. Sie musste ihn einmal mit mir abfahren, damit ich alles richtig verstand, und dann würde ich ihn noch einmal abgehen. Im Auto dauerte es nur ein paar Minuten, und in der Zeit beobachte ich Mrs. Leeds genau, um zu sehen, ob sie auf irgendetwas Spezielles reagierte. Doch alles, was ich sah,
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