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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Kauf eines Webstuhls, Schädlinge in einem Kirschgarten, ein wenig Klatsch über eine füllige Frau, die ihren dürren Gatten mit bloßen Fäusten verprügelte, weil sie meinte, er sei ihr untreu gewesen. Und dann schaute er mir wieder direkt ins Gesicht und sagte: »Und natürlich muss ich Euch nicht sagen, dass wieder Kinder verschwunden sind.«
    Es erfüllte mich mit einer unerklärlichen Freude, dass er mich kannte, auch wenn es mich ein wenig ärgerte, dass mein Ruf wegen meiner Nachforschungen der Grund dafür war und nicht, dass er sich an mich als an einen lieb gewonnenen Gast aus früheren Zeiten erinnerte.
    Auf meine augenblickliche Sprachlosigkeit hin sagte er: »Seid Ihr denn nicht die Mutter Äbtissin?«
    »Die bin ich«, gab ich zu.
    Er schien etwas von mir zu erwarten. Ich wollte ihn nicht enttäuschen.
    »Nun, wie viele sind denn hier verschwunden?«
    Er schüttelte den Kopf und sagte leise: »Wir können sie schon gar nicht mehr zählen.«
    Als Frère Demien Anstalten machte, zu zahlen, wollte der Wirt nichts davon hören. Nachdem er uns verlassen hatte, konnte ich einige Augenblicke nichts anderes tun, als die Holzbretter des Tisches anzustarren. Als ich den Kopf wieder hob, suchten meine Augen den weißhaarigen alten Mann. Er war nicht mehr da.
     
    Als wir Ancenis erreichten – die letzte richtige Stadt auf unserem Weg vor der Gemarkung von Champtocé –, fieberte ich beinahe vor Vorfreude. So viele Erinnerungen warteten dort auf mich. Warum es mich so drängte, den Schorf von einer Wunde zu reißen, die so verheilt war, wie es nicht besser hätte sein können, hatte ich zu verstehen versucht, doch ohne Erfolg. Jean de Malestroit, der einzige Mensch, der mich davon hätte abbringen können, war dieser Aufgabe nicht gewachsen gewesen.
    Wir näherten uns der Festung auf der Hauptstraße, die quer durch eine weite, offene Wiese führte. Jeder, der auf den hohen Mauern der Festung Wache hielt, konnte uns sehen – wir waren so hilflos und ungeschützt wie eine Maus, über der eine Eule schwebt. Doch wir hörten keine Warnungen, keine Aufforderungen, uns zu erkennen zu geben. Ich nehme an, der Soldat auf der Mauer sah keine Bedrohung in diesem Paar aus Nonne und Priester, die Frau noch dazu auf einem Esel. Eine nach der anderen kamen die vertrauten Einzelheiten in Sicht. Zuerst sah ich die Reihe der Schießscharten im Südturm knapp unterhalb der Brüstung. Dann erblickte ich das Banner, das im Wind wehte – das von Milord war es gegenwärtig wohl nicht. Gott allein wusste, wem das Schloss im Augenblick gehörte, so oft hatte es in letzter Zeit den Besitzer gewechselt; wir hatten allerdings gehört, dass es René de la Suze gelungen sei, sich den Besitz vom Gläubiger seines Bruders zurückzuholen, wer immer dieser Narr auch sein mochte. Vielleicht wucherte ein wenig mehr Grün am Sockel der Mauern als bei meinem letzten Besuch; ganz allgemein wirkten die Flächen vor dem Burggraben überwuchert und ungepflegt, was angesichts der häufig wechselnden Besitzer zu erwarten war. Einige Steine waren aus der mächtigen Außenmauer herausgebrochen oder standen vor, und die ganze Anlage sah arg vernachlässigt aus.
    Doch sie war prachtvoll trotz ihrer Mängel. Schließlich winkte uns einer der Wachposten, wir winkten zurück, um ihm unsere freundlichen Absichten zu zeigen. Das Fallgitter stieg in die Höhe, als wir uns der Zugbrücke näherten. Wie gut erinnerte ich mich an jedes Ächzen der Flaschenzugrolle, wenn Seile das schwere Tor nach oben zogen. Das Herz ging mir über vor Freude, Entsetzen, Unsicherheit, Hoffnung und vielen anderen Empfindungen, deren Namen ich nicht einmal kannte.
    Würde ich finden, was ich erhofft hatte?
    Nach so langer Zeit schien es eher unwahrscheinlich.
    Frère Demien bemerkte meine Ängstlichkeit. »Zerbrecht Euch nicht den Kopf, Schwester. Er wird schon noch hier sein.«
    Auf welcher Grundlage außer seiner unerschütterlichen Zuversicht er diese zweifelhafte Behauptung aufstellte, wusste ich nicht, dennoch versuchte ich, seinen Ausspruch als Trost zu nehmen. »Ich beneide Euch um Euer Gottvertrauen, Bruder.«
    »Dieser Mann war ein guter Schlossvogt, das habt Ihr mir zumindest gesagt.«
    »Aber ohne Verwandtschaft in Adelskreisen und deshalb immer in Gefahr, entwurzelt zu werden, wie ich nur zu gut weiß.«
    »Welcher Narr von einem Herrn würde sich eines außergewöhnlich guten Vogtes entledigen, um jemanden an seine Stelle zu setzen, der nichts von den Besonderheiten

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