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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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seinem Umhang, in der Mitte. Und seine Kleidung war in Unordnung; ich nahm an, dass er gestürzt war, sich dabei geschnitten und sich dann möglicherweise die Hände an seiner Kleidung abgewischt hatte. An den Händen hatte er etwas Blut, aber sie waren zerschnitten und zerschunden. Er gab an, er habe sich beim Rennen durch den Wald verletzt, als er die Äste beiseite schob. Das schien mir eine vernünftige Erklärung. Dies sagte er aus eigenem Antrieb.«
    Als ich einige Tage später seine Hände zum ersten Mal aus der Nähe sah, waren die Innenflächen ganz verschorft. Die Hebamme hatte Salben und Tinkturen aufgetragen, um den Heilungsprozess zu beschleunigen, aber Milord hatte wegen eines besonders tiefen Schnitts in der rechten Hand Schwierigkeiten, eine Faust zu ballen. Er wollte die Hand nie öffnen, damit ich mir die Wunde genauer hätte betrachten können; es sei zu schmerzhaft, behauptete er. In meinem Kummer brachte ich die Willensstärke nicht auf, ihn dazu zu drängen.
    Ich lehnte mich für einen Augenblick zurück und versuchte, mich zu erinnern, was er an diesem Tag getragen hatte; eine Einzelheit, die tief in meinem eigenen Gedächtnis vergraben war. Das Bild eines dunkelblauen Umhangs und eines gelben Rocks drängte an die Oberfläche. Beides war wohl an einen rangniedrigeren Verwandten weitergegeben worden, falls das Blut sich nicht vollständig hatte entfernen lassen. Keine der Waschfrauen hatte etwas erwähnt. Ich fragte mich, ob diese beiden Kleidungsstücke je durch ihre Hände gegangen waren.
    »Und von den Waldarbeitern, die an diesem Tag unterwegs waren, hatte keiner bei seinen Streifzügen irgendetwas Ungewöhnliches gehört. Alle wussten, was im Wald vorgefallen war, aber keiner sagte etwas.«
    Dass Waldarbeiter unterwegs waren, hatte ich bis jetzt nicht gewusst. Mein Sohn war für sein zartes Alter ein tapferer Junge gewesen, abenteuerlustig und kühn – kein Knabe, der sich von einem Keiler hätte einholen lassen, ohne zu rennen, zu schreien, alles zu tun, um den Angriff abzuwehren. Er war bestimmt nicht sofort gestorben, er hätte geschrien und um Hilfe gerufen. Jemand hätte ihn hören müssen.
    Hatte Milord seine Schreie gehört, ihn aber seinem Schicksal überlassen?
    » Monsieur, kommt es oft vor, dass Keiler ihre Opfer fressen?«
    Der Mann wich meinem Blick aus.
    » Monsieur? «
    »Nein, Madame, das tun sie nicht. Es sind zornige Tiere, aber wenn Sie töten, dann meistens nur zur Selbstverteidigung.«
    Zum tausendsten Mal stellte ich mir nun die Frage, die mich seit diesem schrecklichen Tag quälte. Als sie es bis zu meinen Lippen geschafft hatte, ließ ich sie mit einem leisen Aufstöhnen entweichen. »Warum, ach warum wurde Michels corpus dann nie gefunden?«
    »Das bleibt ein unergründliches Rätsel, Madame.«
    Ein Suchtrupp hatte sich sofort auf den Weg gemacht, darunter auch Etienne. Jedes Pferd im Stall erhielt einen Reiter; zu diesen Reitern gehörte ebenfalls unsere Hebamme Madame Catherine Karle, die sich um die Wunden meines Sohnes kümmern sollte, so man ihn verletzt fand.
    Sie blieben aus, bis das letzte Licht des Tages verschwunden war. Alle kehrten in offensichtlicher Erregung zurück. Aber Madame Karle, die sonst in den Klang ihrer Stimme verliebt war, hatte sich ungewöhnlich einsilbig gezeigt, sogar mir gegenüber, und sie blieb es auch fast zwei Wochen lang.
    Als ich diese Merkwürdigkeit nun dem Vogt berichtete, entgegnete er: »Ja, ich erinnere mich auch, dass sie eine Zeit lang sehr mürrisch wirkte.«
    Als unsere bedrückende Unterhaltung nicht weitergehen konnte, starb sie eines natürlichen Todes. Wir versuchten, unsere Stimmung mit einem köstlichen Mahl aus Wachteln und escargots samt weißen Rüben und knusprigem Brot zu heben. Hippokras floss wie Wasser aus der Karaffe, die er auf den Tisch gestellt hatte, und ich glaube, wir hätten wohl auch den Satz getrunken, so eifrig waren wir darauf bedacht, sie leer zu sehen. Der alte Mann erzählte nur zu gerne von den Abenteuern, die er in den Jahren seit unserer letzten Begegnung erlebt hatte, und unseren Herzen tat es wohl, Geschichten zu hören, die nichts mit dem unerklärlichen Verlust eines Kindes zu tun hatten.
    Unsere Rückreise nach Nantes würde lange dauern; es wurde erwartet, dass wir in Champtocé übernachteten, und unser Gastgeber war so freundlich, uns in seinem eigenen Quartier unterzubringen. Das ist gut so, dachte ich, und vielleicht hatte er es auch selbst erkannt: In den Haupträumen des

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