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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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nicht, wen wir erwarten sollten.
    Ich kann nicht sagen, wer diese Kinder getötet hatte; ich weiß allerdings, dass Milords Cousin ihn oft besuchte, wenn er dort weilte, und dass eine große Vertrautheit zwischen ihnen herrschte, manchmal auch von unzüchtiger Art, wie es oft auch zwischen Milord und mir geschah. Ich wusste, dass man Kinder zu ihm brachte, wie auch ich selbst es später oftmals tat, um seine enorme Lust zu befriedigen. Wir alle miteinander brachten ihm im Lauf der Zeit etwa vierzig Kinder. Mehr als mir lieb ist, möge Gott meiner Seele gnädig sein.
    Was er sicherlich nicht sein wird.
     
    Nach Michels Verschwinden war ich so in meinem Kummer versunken, dass ich, falls sich wirklich Böses in Champtocé eingeschlichen hätte, es gar nicht hätte bemerken können. Catherine Karle hatte nichts von meiner Liebe zu dieser Festung – im Laufe vieler Jahrzehnte war sie gekommen und gegangen und hatte ihren Aufstieg und Fall miterlebt, ohne je eine sichtbare Rührung zu zeigen.
    »Eure Mutter besaß eine wunderbare Beobachtungsgabe«, sagte ich zu Guillaume, »deshalb muss ich, was Ihr mir erzählt, als Wahrheit annehmen, auch wenn ich es selbst nicht bemerkt habe.«
    Ich hielt kurz inne, um über meine Unzulänglichkeit als Beobachterin nachzudenken. »Ich vermute, ich hätte es sehen müssen«, sagte ich dann reumütig, »war Champtocé doch so viele Jahre lang mein Zuhause.«
    »Macht Euch deswegen keine Vorwürfe, Madame. Niemand sieht gerne solche Dinge.«
    »Ihr wäret überrascht, Monsieur, wie viele Fehler man in seinem Inneren finden kann, wenn man nur genug Zeit zum Nachdenken hat – wie ich sie zur Genüge habe. Aber genug von diesen Klagen.«
    Nun nannte ich ihm ohne weitere Umschweife mein Anliegen. »Wir sind hier, weil wir hoffen, mehr über das Ableben meines Sohnes zu erfahren.«
    Er wich ein Stück zurück und bekreuzigte sich. Es war nicht nötig, diesem Mann erneut in Erinnerung zu rufen, was Michel widerfahren war, und das war für mich eine Erleichterung – früher war ich so töricht gewesen zu glauben, dass jedes Erzählen meines Kummers ihn lindern würde. »Marcel meinte, es könnte noch etwas geben, an das Ihr Euch erinnert. Wir beide, Ihr und ich, sprachen damals nicht darüber, und auch Eure Mutter und ich nicht. Deshalb bitte ich Euch jetzt zu sprechen.«
    Er nahm Madame Catherines Porträt zur Hand und betrachtete es einen Augenblick. Nachdem er es ehrfurchtsvoll wieder an seinen Platz gestellt hatte, sagte er: »Was werden Euch meine Erinnerungen nutzen? Sie können Euch nur Kummer bereiten, und nichts wird sich ändern.«
    »Das vermag ich nicht zu sagen, Monsieur, bis ich sie von Euch gehört habe. Aber zögert nicht, offen zu sprechen, denn Ihr könnt nichts sagen, was mir mehr Schmerz bereiten könnte, als ich bereits durchlitten habe.«
    Einen kurzen Augenblick dachte ich, er würde Widerspruch erheben, doch stattdessen sagte er: »Nun gut, Madame. Wenn es Euer ehrlicher Wunsch ist, dass ich es tue, dann werde ich es tun. Aber zuerst wollen wir uns setzen. Mir schmerzen plötzlich die Knochen.«
    Der Sessel, in den ich meinen wund gerittenen Körper senkte, war so bequem, dass ich, wenn die Sonne schon untergegangen wäre, wohl augenblicklich in den Schlaf gesunken wäre, ohne einen Gedanken an die Gebete, die von mir erwartet wurden, bevor ich die Augen schloss. Doch jetzt saß ich aufrecht auf der Polsterkante – ich wollte sein Gesicht deutlich sehen, wenn er sprach. Schon jetzt konnte ich Schmerz darin erkennen.
    » Mère sprach viele Stunden nach ihrer Rückkehr von dieser Suche kein Wort«, sagte er. »Obwohl sie doch jemand war, der so gerne plapperte. Ich versuchte, sie zum Reden zu bringen, doch sie blieb so gut wie stumm, als hätte sie mit einer großen Verwirrung zu kämpfen.« Er rieb langsam die Hände aneinander; erst als seine Unruhe nachließ, redete er weiter. » Mère war eine starke Frau mit einer robusten Seele; sie hatte in ihrem Leben schon viele schlimme Wunden und Verletzungen gesehen, viele Prüfungen durchlitten und schwere Zeiten erlebt. Ich dachte, sie wäre inzwischen unempfänglich für Schmerz und Entsetzen. Aber damals hatte sie einen solchen Zorn in sich … Euer Gatte hat Euch doch sicherlich gesagt, was sie ihm erzählt hatte.«
    Ich lehnte mich entsetzt zurück. »Er hat mir nie gesagt, dass er mit ihr gesprochen hatte.«
    »Er hat Euch nicht erzählt, wie wir im Eichenwäldchen aufeinander trafen?«
    Ich antwortete mit einem

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