Die Schreckenskammer
haben.«
Ich musste ihm schon mit ewiger Verdammnis drohen, damit er es mir, wenn auch nur widerstrebend, versprach. »Mit diesen Dingen muss verfahren werden, wie es ihnen zusteht«, sagte er, »sonst schwären sie in Euch und fügen Euch Schaden zu. Ich möchte nicht, dass Eure Seele von einer Krankheit befallen wird, deren Heilung ganz schlicht in einer Aussprache besteht.«
Ich beschloss die Angelegenheit mit den Worten: »Das lasst nur meine Sorge sein.«
Und genau dies wurde es. Ich ertrug mein schmerzhaftes neues Wissen in einsamem Schweigen. Ich schrieb meinem Sohn nichts davon und vertraute mich auch keiner meiner Schwestern an, die immer häufiger hinter meinem Rücken flüsterten, da ich mich mehr und mehr von ihnen zurückzog. Während die Aufgaben in unserem Kloster zumindest einigermaßen regelmäßig erfüllt wurden, schenkte ich dem Ort höchstens flüchtige Aufmerksamkeit, denn meine Interessen lagen woanders. Mein alltägliches Leben fühlte sich allmählich an wie ein Marsch durch einen Sumpf in feuchten Gewändern. Einen Fuß vor den anderen setzend, stapfte ich schwerfällig durch meine Pflichten, als schlüge in meiner Brust nicht länger ein Herz.
Wichtiger noch: Ich sprach auch mit Jean de Malestroit nicht über die Gräuel, die ich in Champtocé erfahren hatte. Nur vor ihm würde ich die Beichte ablegen, sollte ich Absolution benötigen für das schuldige Wissen, das ich erworben hatte. Mein Bischof bemerkte Veränderungen in mir, düstere Stimmungen und unvermittelte Tränen und fragte mich oft, ob ich meine Seele erleichtern wolle.
»Ich bin so heilig, wie es unter den Umständen geht«, versicherte ich ihm und empfand es als wahre Gnade, dass er nicht weiter in mich drang. Nun, er hatte wohl genügend anderes, das seine Aufmerksamkeit erforderte.
Obwohl dies alles so war, muss ich doch zugeben, dass der September erschreckend rasch verging. Am Morgen des Achtundzwanzigsten versammelten wir uns sehr früh, weit vor der Terz, in der Kapelle, die auch Gerichtssaal war. Man hatte zusätzliche Stühle herangeschafft als Ergänzung der harten Holzbänke links und rechts des Mittelgangs. Ein Podest mit Zeugenschranke stand in der Mitte vor dem Richtertisch, an dem Jean de Malestroit und Bruder Jean Blouyn sitzen und den Fortgang des Verfahrens überwachen würden. All dies vertrieb ein wenig den Geruch der Heiligkeit, der sonst diesen Ort durchwehte.
Der Tag hatte lebendig begonnen in der Erwartung von Fortschritten nach so langer Verzögerung, doch als Stunde um Stunde verging, ohne dass Milord Gilles de Rais sich zeigte, setzte ein unruhiges Murren ein. Ich saß in steifem Schweigen auf meinem Platz am Ende der ersten Reihe und sah zu, wie die Schatten mit der immer höher steigenden Sonne kürzer wurden. Der Morgengesang der Vögel wich jenem, der im Verlauf des Tages gesungen wird. Frère Demien neben mir rutschte unruhig hin und her wie ein zehnjähriger Junge; trotz seiner Neugier auf die bevorstehenden Ereignisse bedauerte er doch die Vergeudung eines Tages, den er in den Obstgärten hätte verbringen können.
Sein Unmut war so groß, dass er eine seltene Geringschätzung äußerte. »Ich hätte nicht gedacht, dass Milord ein solcher Feigling ist. Er sollte aus seinem Versteck gezerrt und vor diese Richter geworfen werden.«
»Edelleute werden nirgendwo herausgezerrt, Bruder. Sie müssen mit dem Anschein der Freiwilligkeit zu ihrer Demütigung kommen.«
Sein »Versteck« war eine prächtige Zimmerflucht im Bischofspalast. Zwar konnte er aus dieser Haft nicht entfliehen, doch es war auch nicht unbedingt eine Einkerkerung. Er konnte Besuch empfangen – wobei keiner gemeldet worden war –, und er konnte auf eine Art leben, die sich für seinen Stand schickte.
Während die Stunden im Warten vergingen, träumte ich von Äpfeln und Birnen, von feiner Stickerei und farbigen Glasperlen, die man hinzufügen konnte, um ihre Schönheit noch zu erhöhen. Eine kurze Ablenkung gab es, als ein Mann und eine Frau in reumütiger Hast, sich mehrmals verbeugend, die Kapelle betraten – weitere Zeugen, die weit vor der festgesetzten Zeit erschienen waren.
»Sie hätten sich nicht eilen müssen«, bemerkte Frère Demien.
Seine Eminenz war ganz erpicht darauf gewesen, den Prozess fortzusetzen, und hatte seinen Platz am Richtertisch an diesem Morgen mit beinahe sichtbarer Aufregung eingenommen. Jetzt war er gezwungen, wenigstens einigermaßen die Würde zu wahren, indem er immer häufiger ein
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