Die Schreckenskammer
an zu weinen.«
Und genau das tat er jetzt auch in dem Vernehmungszimmer, als er das Ende seines Berichts erreicht hatte. Ich fand das gut. Er sollte sich ruhig all diesen Mist an einem Ort von der Seele flennen, wo er wusste, dass niemand ihm etwas tun würde.
Ich ging gerade zur Tür hinaus, um dem Jungen eine Cola und der Mutter Kaffee zu holen, als Spence mit ziemlich schlimmem Gesichtsausdruck den Gang entlanggerannt kam.
»Es hat noch einen gegeben. Wieder misslungen.«
»Sieht als, als wären aus Ihrem einen Kerl Zwillinge geworden«, knurrte Vuska.
Schreien war die einzige Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, und das tat ich auch, obwohl ich in diesem Augenblick den Klang meiner Stimme hasste. »Es könnte immer noch nur ein Täter sein«, kreischte ich in das Chaos hinein.
Frazee und Escobar waren still und hielten sich abseits.
»Langsam, Leute, überlegt doch mal«, rief ich in die Runde. »Soweit wir wissen, ist ihm bis heute noch nie was misslungen. Er hat sich bisher jeden Jungen geschnappt, den er haben wollte. Versteht ihr denn nicht? Er spielt mit uns. «
Polizisten lassen nicht gern mit sich spielen. Aber es war offensichtlich, dass Verbrecher das auch nicht mögen – zumindest Wilbur Durand nicht. Es war, als hätten wir in Frankensteins Labor das Licht angedreht, als wir anfingen, offen gegen ihn zu ermitteln. »Gerade jetzt müssen wir diesem Kerl auf den Fersen bleiben, weil er uns jetzt wirklich die Chance dazu gibt, und die kriegen wir vielleicht nicht wieder«, argumentierte ich. »Bis jetzt war er doch fast unsichtbar. Er zeigt sich uns, springt uns fast ins Gesicht. Er fordert uns heraus, weil der Hurensohn glaubt, er ist gerissener als wir.«
In meinem Kopf pochte es, und meine Hände wurden feucht. Doch während die Versammlung sich langsam auflöste, konnte ich einen Meinungsumschwung erkennen.
Carl Thorsen und seine Mutter waren noch immer in dem Vernehmungszimmer. Ich schnappte mir eine Sekretärin und sagte: »Könnten Sie ihnen bitte sagen, dass ich von einem anderen Fall aufgehalten wurde?«
Die Sekretärin machte zwar ein verdrießliches Gesicht, nickte aber.
»Sagen Sie ihnen, dass ich so bald wie möglich zurück bin. Wenn sie was zu essen wollen, besorgen Sie ihnen was in einem unserer Stammläden, und wenn nicht genug in der Portokasse ist, zahle ich es aus meiner Tasche.«
Ich fühlte mich völlig erschöpft, als ich an meinen Schreibtisch zurückkehrte, wusste aber, dass ich jetzt gleich eine neue Runde Durand- Wahnsinn einläuten würde. Die Blicke meiner Detective-Kollegen ruhten sämtlich auf mir. Fred saß mit ein paar hohen Tieren in seinem Büro und kaute die neue Entwicklung durch, als der nächste Anruf kam.
Er hatte es schon wieder getan, kaum eine Stunde nach dem letzten Mal.
Niemand wusste, was er sagen oder tun sollte, und unsere so genannten Vorgesetzten am allerwenigsten.
»Es ist eine Botschaft«, sagte ich. Doch bis auf Escobar und Spence schien mir keiner zuzuhören.
»Er sagt: Fangt mich doch, wenn ihr könnt. «
Und genau das hatte ich vor, ob mit oder ohne Hilfe. Falls ich dann noch Detective war.
Obwohl ich Errol Erkinnens Piepser-Nummer kannte, hatte ich sie noch nie benutzt. Aber das hier war ein Notfall. Er rief mich fast sofort zurück.
»Ich habe drei Jungs, die diesem Kerl entwischt sind, und sie sind im Augenblick alle hier auf dem Revier.«
»Moment mal«, sagte er, als hätte er mich missverstanden. »Sie sind ihm alle entwischt?«
»Ja. Alle drei. Ob Sie es glauben oder nicht.«
»Das ist eine echte Eskalation seines Verhaltens – er spielt mit Ihnen, schickt Ihnen eine Botschaft.«
Es tat so gut, dass jemand mir glaubte. »Ich habe das kapiert, aber sonst offensichtlich keiner. Allmählich glaube ich, dass aus dieser ganzen Geschichte etwas zwischen ihm und mir geworden ist. Es geht gar nicht mehr um die Jungs.«
»Da haben Sie wahrscheinlich Recht. Er hat sein Verhaltensmus ter aufgegeben und kommuniziert mit Ihnen über diese Variation. Ich würde jede Wette eingehen, dass er eine Reaktion von Ihnen erwartet.«
»Ich werde reagieren, darauf können Sie sich verlassen. Aber im Augenblick muss ich diese Jungs befragen. Ich möchte mit allen dreien gemeinsam reden, weil ich glaube, dass sie, wenn sie untereinander reden können, sich eher öffnen und mehr preisgeben, als sie es sonst tun würden. Dazu brauche ich Ihre Hilfe, weil der Lieutenant will, dass ich ›einen Mediziner‹ dabeihabe.«
»Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher