Die Schreckenskammer
offenbar nicht aufhören, darüber zu sprechen, aber im Augenblick ist es so, als hättest du mir befohlen, in vierzehn Tagen ins Heilige Land und wieder zurück zu pilgern.«
Ich sagte nichts, sondern berührte zur Ermutigung nur sanft ihre Hand. Sie schniefte noch einmal und begann dann mit ihrer sorgenschweren Erzählung. »Mein Dienstherr – der Schneider Jean Peletier, ein sehr angesehener Mann – kleidet noch immer gelegentlich Madame Catherine ein, obwohl mir diese Frau beinahe vorkommt wie ein Geist, sehen wir doch kaum etwas von ihr. Manchmal, wenn sich die Gelegenheit ergibt, stattet er auch Milord persönlich aus, allerdings viel seltener, seit Milord so oft auf Reisen ist.«
Geschichten über seine Entourage waren Legende, ein mächtiger Tross, Unmengen von Gefolgsmännern und Bediensteten, alle in eindrucksvollen Gewändern. »Er scheint nie sehr lange in seinen eigenen Schlössern zu verweilen«, sagte ich. »Man wundert sich über seine nomadischen Neigungen. Als Kind zeigte er die nicht.«
»Ja, aber er hat sie gesehen – in seinem Vater. Wir statteten Milord Guy immer für die eine oder die andere Reise aus. Wie seine Reisebekleidung sich so schnell abnutzen konnte, werde ich nie verstehen. Aber jetzt bleibt Milord Gilles immer für längere Zeit in Champtocé; das sagt zumindest Monsieur Peletier, und er weiß es von einem Schneider, den er dort kennt. Wir dienen ihm nur, wenn er in Machecoul ist.« Zögernd fügte sie hinzu: »Und es ist schwierig, das einzutreiben, was er uns schuldet, deshalb sind wir nicht unbedingt erpicht auf seine Aufträge.«
Gott sei Dank hatte es nicht in meiner Verantwortung gelegen, dem kleinen Gilles den Umgang mit Geld beizubringen – ich will mir gar nicht vorstellen, welche Kämpfe wir ausgefochten hätten. Diese schauerliche Pflicht oblag Jean de Craon, der seinen Enkel in allen Dingen mit ausgesuchter Grausamkeit zum Gehorsam zwang, es aber irgendwie nicht schaffte, ihm fiskalischen Verstand einzubläuen. Ich konnte beinahe Jean de Malestroit sagen hören: Gibt man einem Mann einen Fisch, isst er ihn und wird dann wieder hungrig, bringt man ihm aber das Fischen bei, wird er nie darben. Dieser Spruch war nie angebrachter als in Bezug auf Milords Reichtum, der ihm ohne Anleitung übergeben worden war, so dass er, als er seine Volljährigkeit erreichte und niemand ihm mehr Einhalt gebieten konnte, so verschwenderisch wurde, wie ein Mann es nur sein konnte.
»Vielleicht sind seine vielen Reisen nur ein Versuch, seinen Gläubigern zu entfliehen«, entgegnete ich.
»Zweifellos. Dennoch ist Monsieur Peletier weiterhin bereit, hin und wieder für Milord zu arbeiten; er sagt, er möchte seine Waren dem Adel vor Augen führen, um so vielleicht zusätzliche Aufträge von jenen zu erhalten, die tatsächlich bezahlen. Er betrachtet das als vernünftige Investition. Mein Georges ist …«
Sie brach mitten im Satz ab, hielt den Atem an und stieß ihn dann langsam wieder aus, bevor sie fortfuhr, nun mit sorgfältiger gewählten Worten: »Monsieur Peletier nahm meinen Georges zum Lehrling, bevor …«
Wieder suchte sie stammelnd nach den richtigen Worten. »Auf jeden Fall ging der Junge regelmäßig mit ihm ins Schloss hier in Machecoul. Was er mir berichtete, war beunruhigend – fantastische Geschichten darüber, wie er dort behandelt wurde, manchmal von dem Pagen namens Poitou, gelegentlich aber auch von Milord Gilles selbst. Der Mann zahlt seine Schulden nicht, aber er lebt verschwenderisch und behandelt seine Gäste, auch wenn es Leute aus dem Volk sind, wie Könige. Und warum ein solches Interesse für einen bloßen Lehrling …«
Sie erinnerte sich nicht an den Tag vor so vielen Jahren, als Milord ihr den kleinen Georges aus den Händen nahm.
Na, mein kleiner Engel, wovor fürchtest du dich?
Ich behielt die Erinnerung für mich und sagte: »Es ist unschicklich, dem stimme ich zu.«
»Georges fing an, lüstern von all dem Luxus zu sprechen, den er sah. Mir missfiel das, und ich sagte ihm, er solle sich freudig mit seiner eigenen glücklichen Stellung bescheiden. Natürlich missachtete er meinen Rat, aber was konnte ich schon tun? Er war ein Lehrling, andererseits fast schon ein Mann. Ich hatte keine Macht mehr über ihn.«
»Wenn man Handwerker ist, dann ist es schwer, sich nicht nach einem Leben zu sehnen, wie Milord es führt.«
»Ich selbst habe das auch alles gesehen, dennoch wusste ich, was meinem Stande ziemt. Aber die heutige Jugend, sie scheint ganz
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