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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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vergessen zu haben, dass Wohlstand von harter Arbeit und Fleiß kommt.« Sie zuckte resigniert die Schultern. »Was kennt man in diesem Alter denn schon außer den eigenen Gelüsten? Er war wie ein Strohhalm im Wind. Auf jeden Fall wurde er beeinflusst von diesem Poitou – ein Kerl, wie ich ihn nicht beschreiben kann, außer dass ich mich in seiner Gegenwart unwohl fühlte, so als würden tausend Spinnen über meine Haut krabbeln. Georges kam nach Hause und erzählte mir von den Versprechungen, die der Page ihm in Milords Namen gemacht hatte, der Vergütung von Schneiderarbeiten, obwohl mein Sohn noch gar nicht ausgelernt hat. Materialien und Waren, Nadeln, teure Scheren wurden ihm versprochen – für mich war das alles zu weit hergeholt, um glaubwürdig zu sein. Das letzte Versprechen, von dem er mir berichtete, war, dass er ein Pferd erhalten sollte.«
    »Ein Pferd?« Das war in der Tat weit hergeholt. »Ein wirklich außergewöhnliches Geschenk.«
    » Oui, Mère, das ist es. Zu außergewöhnlich. Natürlich war er begeistert.«
    »Wie es jeder junge Mann wäre.«
    »Ich sagte ihm, er solle misstrauisch sein gegenüber solch unverdienter Großzügigkeit. Aber am festgesetzten Tag ging er dennoch und gegen meinen Willen zum Schloss, um das Tier in Empfang zu nehmen. Vor vierzehn Tagen. Bevor er aufbrach, gab ich ihm eine Kniehose mit, die er unterwegs abliefern sollte, und bat ihn, das Geld dafür in Empfang zu nehmen. Er lachte und sagte, er würde die Lieferung auf seinem Pferd machen, und dass solche Aufgaben von nun an ein Vergnügen für ihn seien und er sie sehr gerne für mich übernehmen werde.« Sie senkte den Kopf, und eine Träne tropfte ihr von der Wange. »Er ist ein guter Junge. Und mir ein guter Sohn.«
    Ich wollte die wenigen guten Erinnerungen nicht stören, die ihr nach seinem Verschwinden geblieben waren, deshalb schwieg ich. Nach einer angemessenen Frist fragte ich: »Und seitdem gibt es keine Spur mehr von ihm?«
    »Keine einzige.«
    »Hast du im Schloss nachgefragt?«
    »Mein Gatte gestattete es mir nicht. Er sagte, als Vater des Jungen sei das seine Aufgabe. Er machte sich auf nach Machecoul, kam aber lediglich mit der Nachricht zurück, dass Georges nie eingetroffen sei, um das Pferd abzuholen, und dass das Tier einem anderen gegeben worden sei.«
    »Hast du ihn gefragt, wer ihm das sagte?«
    »Wieder war es dieser Poitou, Milords Page.«
    »Und dein Mann fragte ihn nicht weiter?«
    »Mein Gatte erachtet Misstrauen gegen irgendjemanden außer seinem eigenen Sohn für unnötig.«
    Ihr Groll war offensichtlich. Sie hatte nicht nur ihren Sohn verloren, sondern auch das Vertrauen in ihren Mann – eine trostlose Lage.
    »Hast du nachgefragt, ob sonst jemand ihn an diesem Tag gesehen hat?«
    » Mais oui, Mutter. Selbstverständlich.«
    Nun nicht mehr Guillemette, sondern Mutter. Unsere junge Vertrautheit litt schon jetzt unter meinen eindringlichen Fragen. Was für eine Närrin war ich auch, dass ich diese Frage überhaupt gestellt hatte – hatte ich selbst doch jeden in der Umgebung von Champtocé mit meinen Fragen gequält, bis alle mich fürchteten wie die Pest.
    »André Barbé sagte mir, er habe Georges an diesem Nachmittag Äpfel pflücken sehen. Er sah ihn hinter dem Haus, in dem la famille Rondeau wohnt, die dort einen Obstgarten hat. Er ist aber kein sonderlicher Freund von Äpfeln. Als ich das hörte, dachte ich, er hat es wohl für das Pferd getan.«
    »Und sonst hat ihn niemand gesehen?«
    »Kein Mensch.«
    Wie viele Male hatte ich anhand dessen, was andere mir sagten, Michels letzte Stunden zurückverfolgt? Zu viele, um sie zu zählen.
    »Dieser Mann Barbé, hat er dir sonst noch etwas über Georges berichtet?«
    »Das war alles, was er sah. Er sah nicht, wie Georges den Obstgarten verließ. Das sah übrigens auch sonst niemand, und ich habe viele gefragt. Aber Barbé hatte mir noch etwas anderes zu berichten.« Sie atmete tief durch. »Er sagte mir, er habe auf der Straße zwischen Machecoul und Nantes einen Mann getroffen, einen Fremden. Als Barbé ihm sagte, dass er aus Machecoul stamme, wurde der Fremde sehr aufgeregt und sagte ihm, er solle auf seine Kinder aufpassen, denn sie liefen Gefahr, verschleppt zu werden. Er sang dieses kleine chanson, das er gehört hatte; es ging etwa so: ›Sur ce, l’on lui avait dit, en se merveillant, qu’on y mangeout les petits enfants.‹«
    Ich war verblüfft. Es war genau der Satz, den Jean mir geschrieben hatte, die erinnerten Worte, die

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