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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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mein Interesse an ihrer Notlage überhaupt erst geweckt hatten, ebenjene, die ich auch von dem beunruhigten Fremden zu vernehmen meinte, der mir den Weg hierher beschrieben hatte. Aber Georges war sechzehn Jahre alt, er war kein kleines Kind, auf jeden Fall nicht klein genug, um gegessen zu werden. Aber nicht alle Sechzehnjährigen waren schon so groß wie ein Mann. »Agathe«, fragte ich leise, »war Georges von zierlichem Wuchs?«
    »Er hatte seine volle Größe noch nicht erreicht.«
    »Hat dieser Barbé dir gesagt, woher dieser Fremde kam?«
    »Saint-Jean-d’Angély.«
    Eine ziemlich große Entfernung. Doch schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell, vor allem auf dunklen Wegen.
    Auf ihr Beharren hin blieb ich noch eine Stunde bei Agathe le Barbier, obwohl in der Angelegenheit, die mich zu ihr geführt hatte, kaum mehr etwas zu sagen war. Sie tischte mir auf, und ich nahm das Angebot an, es wäre eine Beleidigung gewesen, es nicht zu tun. In der Zeit meiner tiefsten Trauer um Michel war es mir fast un vorstellbar gewesen, auch nur zehn Schritte zu gehen, außer jemand zwang mich dazu. Madame le Barbier war von ihrem Dorf durch den Wald bis zur Klosterkirche gegangen und in ihrer Ärmlichkeit vor den Bischof und mich getreten, um eine Geschichte zu erzählen, die kaum Gehör fand. Dann hatte sie sich in der abscheulichen Dunkelheit auf den Heimweg gemacht. Heute hatte sie dem Stachel meiner Fragen standgehalten. Sie war eine Frau von bewundernswerter Stärke, die meine ganze Achtung verdiente.
    Jetzt war es an mir, eine solche Stärke zu beweisen. Als ich auf dem Rückweg ins Kloster durch den dunkler werdenden Wald, durch Schatten und Fallgruben und schnappende Äste eilte, hielt ich meine Angst mit einer ganz andersartigen Ablenkung in Schach: Welch unerfreuliche Form würde Jean de Malestroits prächtige Augenbraue annehmen, wenn ich später mit ihm sprach?
     
    »›… hatte ihm jemand verwundert berichtet, dass sie dort kleine Kinder essen.‹«
    »Das habt Ihr gehört?«
    »Ja, in einem Liedchen, Euer Eminenz, von einem Mann, der mir den Weg beschrieb. Und es wurde mir erzählt von jemandem, der es von einem anderen gehört hatte, dem es wiederum erzählt worden war …«
    Ich erwähnte Madame le Barbiers Rolle in dieser Nachrichtenkette ebenso wenig wie die von Jean; beides erschien mir überflüssig und würde ihn nur vom Kern der Sache ablenken. »Aber das war genau das, was der Mann zu ihm gesagt hatte, Wort für Wort dasselbe, was er mir sagte, das schwört der Zeuge zumindest …«
    »Guillemette, ich habe Euch doch schon so oft gesagt, dass Klatsch nicht hinnehmbar ist.«
    »Das war kein Klatsch«, sagte ich mit fester Stimme, obwohl meine Knie beinahe zitterten. »Ich erfuhr es im Verlauf meiner Nachforschungen.« Schließlich zog ich Jeans Brief aus dem Ärmel und faltete ihn ungehaltener auf, als ich es hätte tun sollen. »Und schaut, hier ist es, bis aus Avignon, geschrieben von meinem geliebten Sohn. All das hat unmittelbar mit dem Grund meiner Reise nach Machecoul zu tun.«
    Mir stockte der Atem. Ich hatte mich verraten! Ein beinahe niederträchtiges Lächeln kroch über das Gesicht des Bischofs. »Dann muss ich Euch falsch verstanden haben«, sagte er. »Ich glaube, Ihr sagtet, Ihr müsset nach Machecoul wegen Garnen und Nadeln.«
    Bei einer Unwahrheit ertappt, suchte ich verzweifelt nach einer Erklärung. »In der Tat, Eminenz. Das war meine ursprüngliche Absicht.«
    »Guillemette, Ihr braucht mich nicht anzulügen. Ich bin doch kein so schwieriger Mann, bei dem eine Frau die Wahrheit verbiegen muss.«
    Bei allen Heiligen, dieser Mann lud mit seiner Strenge doch geradezu zum Lügen ein. Aber nun war nicht die Zeit, um darüber zu sprechen, dies konnte man nur in einem entspannten und ruhigen Augenblick tun, wenn er hilfreicher Kritik vielleicht zugänglicher war. Unterwürfig senkte ich den Kopf und hoffte, es würde wirken.
    »Bitte gestattet mir, mich zu entschuldigen, Eminenz, wegen meines mangelnden Vertrauens in Eure Anständigkeit. Ich gestehe, dass ich unbedingt noch einmal mit Madame le Barbier sprechen wollte, und ich hätte es Euch sagen sollen.«
    Seine Miene wurde milder. »Ja, das hättet Ihr.«
    »Aber ich benötigte diese Dinge tatsächlich. Und da ich sowieso nach Machecoul gehen wollte, dachte ich mir, es wäre hilfreich, in dieser anderen Sache Nachforschungen anzustellen.«
    Er betrachtete meine leeren Hände. »Dann habt Ihr Eure Einkäufe also weggeräumt, bevor Ihr

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