Die Schreckenskammer
zumindest unter den Detectives.
»Wusste ich gar nicht.«
»Ja. Er hält sich auf dem Laufenden. Rufen Sie ihn an.«
Es konnte nicht schaden, vor allem, da Profiler so dünn gesät waren. »Werde ich, aber unterdessen werde ich Ellen Leeds mal durch den Computer laufen lassen, um zu sehen, ob der irgendwas ausspuckt.«
»Je früher, desto besser. Ich will diesen Fall so schnell wie möglich abschließen.«
Er sagte das über jeden Fall, und wir alle ignorierten ihn so ziemlich. Aber ich glaube, diesmal meinte er es ernst. Wenn ein braves Kind verschwindet, macht sich bei uns ein unbehagliches Gefühl breit. Keiner von uns mag die Dinge, mit denen wir uns zu beschäftigen haben, aber es ist unser Job, jede Möglichkeit in Betracht zu ziehen. So ungern ich es auch sage – aber die Statistiken über Missbrauch zeigen, dass er in der überwältigenden Zahl der Fälle von jemandem begangen wird, den das Kind kennt. Und genau das macht es so unvorstellbar, dass ein menschliches Wesen ein so geheiligtes Vertrauensverhältnis missbrauchen könnte. Ich meine, das eigene Kind, das Kind der Schwester, den eigenen Enkel oder Neffen … was für ein Schwein muss man sein, um so was zu tun? Ich kann es leichter verstehen – aber sehr viel leichter auch wieder nicht –, wenn Wut oder mangelnde Impulskontrolle hinter den Taten stecken; an so was kann man arbeiten. Kinder können einen manchmal mit voller Absicht zur Weißglut treiben, meine tun es auf jeden Fall. Es gibt Zeiten, da muss ich mich fast mit Gewalt zurückhalten, um sie nicht zu schlagen. Und ich bin Polizistin. Noch dazu eine Erwachsene: Viele Leute begreifen einfach nicht, was mit Kindern passiert, weil sie selbst noch nicht wirklich erwachsen sind, wenn sie sie bekommen.
Aber Leute, die Vertrauen nur aufbauen, um sich einem Kind nähern zu können und es dann mit voller Absicht verletzen, nun, für die gibt es in der Hölle einen besonderen Platz. Zumindest bete ich zu Gott, dass es den gibt.
Mit Errol Erkinnen, dem Psychologen unserer Abteilung, hatte ich nur beschränkte Erfahrung. Ich erinnerte mich, dass er einen Doktortitel in forensischer Psychologie besaß und eine Reihe gelehrter Bücher zu diesem Thema geschrieben hatte, aber ich hatte ganz vergessen, wie freundlich er war.
»Oh, ich bin mehr als glücklich darüber, mit Ihnen sprechen zu dürfen, Detective«, sagte er. »Mehr als glücklich.«
Mehr als begierig darauf, hätte er sagen können. Man muss schon selbst ein bisschen verrückt sein, um Leute, die kriminell verrückte Sachen machen, zu untersuchen und zu bewerten, und soweit ich mich erinnerte, entsprach Erkinnen dieser Anforderung.
»Ich habe allerdings nur noch mittags einen Termin frei. Komisch, in den letzten Wochen war ich wirklich ziemlich beschäftigt. Im Augenblick scheint jeder eine Konsultation zu brauchen. Bizarres Verhalten scheint im Augenblick ziemlich der Renner zu sein.«
Ich hatte nicht den Mut, ihm zu sagen, dass er nur der Ersatzmann für die doppelt gebuchten FBI-Jungs war. »Ich bringe Sandwiches mit.«
»Toll.«
Als ich die Daten für Ellen Leeds eingab, erkannte ich, dass ich sie nicht nach ihrem Mädchennamen gefragt hatte. Wenn sich nichts ergab, würde ich sie anrufen und danach fragen müssen, was sie sicherlich argwöhnisch machen würde. Aber es erwies sich als unnötig.
Ich warf den Ausdruck auf Freds Schreibtisch. »Vor vierzehn Jahren wurde gegen Ellen Leeds wegen potenziellen Kindsmissbrauchs ermittelt, weil ihr erstes Kind im Alter von acht Monaten tot in seinem Bettchen aufgefunden wurde. Allerdings wurde letztendlich eine natürliche Todesursache festgestellt.«
»Plötzlicher Kindstod?«
»Wahrscheinlich. Der Ermittler gab an, sie habe ihm gesagt, der Junge wäre nicht zur erwarteten Zeit aufgewacht, sie wäre deshalb in sein Zimmer gegangen und hätte festgestellt, dass er nicht mehr atmete. Wie leicht kann man plötzlichen Kindstod vortäuschen?«
»Das weiß ich nicht. Nach dem Bericht des Leichenbeschauers waren an der Leiche des Babys keine anderweitigen Spuren zu entdecken. Aber da war doch diese Frau in New York, die acht Mal mit so was durchkam.«
»Das war in New York.«
Ich zog stumm einen Schmollmund.
Fred sagte: »Ich weiß, dass Sie diesen fettärschigen, großmäuligen Werfer hassen, den sie dort drüben haben. Aber nicht einmal in New York lässt man Baseballspieler Obduktionen machen. Die haben dort Leichenbeschauer wie wir. Damals gab’s eine große Welle der
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