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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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und stand schwankend da, von einem jähen Schwindelgefühl
ergriffen. Langsam drehte ich mich um.
Er stand in der Türöffnung und fletschte die Zähne zu etwas,
das nur entfernt an ein Lächeln erinnerte. »Jetzt sitzt du in der
Falle!«
Ich sah sein Gesicht nun deutlich. Er trug dieselbe blaue
Strickmütze wie an dem Abend, als ich ihn in der C. Sundtsgate
wiedererkannt hatte. Seine Züge waren dieselben, genauso rund
wie 1975, nur ein wenig gedehnter und langgezogener, wie eine
Gummimaske, die wegen Fabrikationsfehlern wieder eingezogen wurde. Seine Augen hatten einen manischen Glanz, als habe
er irgendwelche Pillen geschluckt, wenn es nicht nur der
Widerschein seines entgleisten Lebens war.
Der Raum war eine lange, schmale Zelle. Schritt für Schritt
kam er auf mich zu, die Arme atisgestreckt, das Messer in der
einen, die Kette in der anderen Hand.
Jetzt galten nur noch die brutalsten Regeln.
Ich trat in seinen Schritt, traf aber daneben, auf die Innenseite
des Schenkels. Es reichte trotzdem, damit er das Gleichgewicht
verlor und zuerst gegen die Wand, dann auf mich zu fiel. Ich
schlug mit dem Brett verzweifelt auf die Hand ein, die die
Fahrradkette hielt.
Sein Schrei sagte mir, daß ich getroffen hatte, mit dem Nagel.
Als er an mir vorbeitaumelte, zog er den Arm mit einem so
kräftigen Ruck an sich, daß ich das Brett losließ.
Ein paar sinnlose Sekunden lang standen wir mit fuchtelnden
Armen da, er mit vor Schmerz dunklem Blick und dem Messer
wippend in der unverletzten Hand. In der anderen hielt er noch
immer die Fahrradkette. Das Brett mit dem Nagel lag zwischen
uns auf dem Boden. Einen Augenblick überlegte ich, ob ich es
erwischen konnte.
Dann, fast reflexartig, machte ich zwei schnelle Schritte nach
vorn und verpaßte ihm einen festen Tritt in die Magengegend, so
daß er nach hinten fiel. In derselben Sekunde bereute ich es
bitter.
Er warf die Arme zur Seite. Einen Augenblick oder zwei
ruderte er verzweifelt in der Luft. Dann fiel er rücklings durch
die Öffnung in der Wand.
Für den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich unsere
Blicke, und ich wußte ohne den geringsten Zweifel, daß mich
dieser Blick für den Rest meines Lebens verfolgen würde.
»Ve …!« schrie er.
Hilflos streckte ich die Hand aus, viel zu spät.
Er verschwand. Sein langgezogener Schrei verstummte abrupt.
Lange stand ich einfach nur da. Dann trat ich langsam an die
Öffnung in der Wand, hielt mich gut fest, reckte den Hals und
sah nach unten.
Er lag reglos auf dem Rücken auf dem Kai vor der Fabrik.
Der Kreis hatte sich geschlossen. Die Todesanzeige war
korrekt gewesen. Es hatte nur der falsche Name darin gestanden.
    Als ich wieder am Fuß der Treppe angelangt war, dauerte es
eine Weile, bis ich meine Schuhe fand. Danach kostete es mich
ungefähr zehn Minuten, durch eines der eingeschlagenen
Fenster im ersten Stock hinauszugelangen.
    Ich ging um das Gebäude herum und auf den Kai. Harry
Hopsland lag mit zerschmettertem Kopf da, und eine Mischung
aus Blut und Hirnmasse lag wie ein schlecht gezeichneter
Heiligenschein um seinen Kopf. Sein Blick war starr und ziellos,
als stünde er vor dem Untersuchungsrichter und bekäme den
ersten einer langen Reihe von Anklagepunkten vorgelesen. Ich
brauchte mich nicht damit zu beeilen, einen Krankenwagen zu
rufen. Er war sowieso am Ziel.
    Ich schlenderte den Hellevei hinauf, wo ich endlich ein Taxi
anhalten konnte. Der Fahrer warf mir einen raschen Seitenblick
zu, als ich ihn bat, mich zur Polizeiwache zu fahren.
    Bei der Kripo traf ich auf einen Beamten namens Paulsen, dem
ich vorher nur einmal flüchtig begegnet war. Er war bartlos,
blond, Marke allerweltsfarben, und nicht ganz ohne Ideale, was
seinen Anspruch betraf, sich wie ein ordentlicher Mensch zu
benehmen.
    Als ich ihm von Harry Hopsland berichtete, wies er unverzüglich die Zentrale an, einen Krankenwagen zu rufen und einen
Streifenwagen hinzuschicken. Als ich ihm von Birger Bjelland
erzählte, war er überfordert. »Dafür muß ich Muus anrufen«,
sagte er.
    »Glauben Sie, ich kann morgen wiederkommen?«
Er sah mich besorgt an. »Brauchen Sie irgendeine Hilfe?«
»Nein, aber ein ordentlicher Nachtschlaf wäre nicht schlecht.«
Ich schrieb eine Telefonnummer auf einen Notizblock. »Ich
bin unter dieser Nummer hier zu erreichen.«
     
Er nickte. »Okay. Das geht sicher in Ordnung. Wir wissen ja,
wo wir Sie haben.«
     
»Ja? Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen.«
     
Dann fuhr ich zu der

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