Die Schrift an der Wand
hast!« stieß sie
hervor.
Ich sah schnell zu Furubø. »Extasy.«
»Was ist das?« bellte seine Frau hitzig.
»Pillen, die die Lust erhöhen sollen. Besonders populär auf
sogenannten house parties. In Bergen ist es noch nicht so häufig
aufgetaucht, aber in Oslo kennen sie es schon seit vielen
Jahren.«
Bitter fügte ich hinzu: »Aber es erhöht die Lust nicht, Åsa! Es
macht dich ganz einfach nur völlig bekloppt im Kopf, deine
Nerven flattern und du verlierst so total jede Selbstkontrolle, daß
… Im Ausland hat es mehrere Morde gegeben unter Einfluß von
solchen Mitteln. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, dann
kriegen wir die ersten auch hier. Wenn wir sie nicht schon
haben.«
»War es vielleicht das, was der Satanist genommen hatte?«
fragte Randi Furubø, bemüht, das Thema zu wechseln.
Ich legte den Kopf schief und lächelte ironisch, um ihr nicht zu
viele Hoffnung zu machen.
»Am Tag danach, am Freitag, warst du wieder im Jimmy. Aber
da waren weder Astrid noch Torild da. Hast du deshalb –
diesmal ja gesagt?«
»Ich bin nicht so! Ich konnte doch nicht wissen -!«
»Aber sie haben dich mit viel Geld gelockt, richtig?«
Sie sah zu Boden, zur Seite, an die Decke, überallhin, nur
nicht ihre Eltern an.
»Nun erzähl mir bloß nicht, das sei deine Jungfernfahrt gewesen!«
»Ja und, okay! Dann hab ich es eben schon mal gemacht! Aber
ich war nicht so! Ich hab es nicht immer gemacht! Ich hab
versucht, es zu lassen!« Endlich ließ sie den Blick zu ihren
Eltern schweifen. »Versteht ihr?«
»Verstehen?« murmelte ihr Vater. »Kann man denn so was
verstehen? Die eigene Tochter?«
»Åsa!« schluchzte die Mutter, als habe sie irgendwo Schmerzen und die Tochter sei die Ursache.
»Du warst es, die mit Richter Brandt zusammen war, als er
starb, stimmt’s?«
Sie nickte. Noch immer kämpfte sie darum, nicht die Kontrolle
über sich zu verlieren.
»Sie haben ein Pillenglas im Bad gefunden. Hast du die genommen, um es leichter durchstehen zu können?«
Der Damm brach, und sie fing an, hemmungslos zu weinen. Es
lief in Strömen aus den Augen und den Nasenlöchern, während
sie schluchzte: »Er … er war ekelhaft! Das alte Schwein! Er
hatte sich – er trug – Damenunterwäsche – und er wollte – ich
mußte mich ausziehen und etwas anziehen, was er mitgebracht
hatte, aus Leder und hohe Lackstiefel und – und eine Art
Peitsche – und er verlangte, daß ich – er kroch auf dem Boden
herum und ich mußte ihn treten und peitschen, und zum Schluß
wollte er – er lag auf dem Rücken, die Beine in der Luft, wie ein
kleines Baby, und da war eine Öffnung in – ich sollte mich
hinsetzen und auf ihn pinkeln!«
Die Mutter schluchzte laut. Der Vater biß die Zähne zusammen, daß die Kiefer knirschten.
»Aber ich konnte es nicht!«
»Na Gott sei Dank«, stieß die Mutter hervor, als sei selbst der
kleinste Lichtblick wert, festgehalten zu werden.
»Und als ob das nicht schon genug war, wurde – wurde ihm
auch noch übel, und er kriegte eine Art Anfall, und – war weg!«
»Er starb, meinst du.«
»Ja! Ich wußte es da nicht genau, aber ich …«
»Was hast du gemacht? Hast du jemanden gerufen?«
»Ich …« Ihr Kopf schaukelte hin und her. »Ich bin aus den
ekligen Klamotten gesprungen und hab meine eigenen angezogen und bin dann einfach weggelaufen …«
»Wohin?«
»Zurück ins Jimmy und hab es ihnen da gesagt …«
»Wem genau?«
»Kalle und Helge! Sie … sie haben mich mit ins Hinterzimmer
genommen und mir gesagt, ich sollte mich nicht drum kümmern,
ich sollte es einfach vergessen, sie würden alles in Ordnung
bringen, und dann riefen sie jemanden an, und ich … ich fuhr
nach Hause.«
»Du fuhrst nach Hause«, sagte ich beklommen. »Und bekamst
Hausarrest.«
Sie nickte.
»Ohne ein Wort zu verraten?«
»Sie glauben doch nicht etwa, ich würde was …« Ihr Blick
wich wieder aus. »Darüber?«
»Aber Hausarrest bekamst du trotzdem.«
Randi Furubø öffnete den Mund und schloß ihn wieder.
Ich sah sie an. »Weshalb?«
Sie machte eine vage Handbewegung und sah ihren Mann an.
»Das … Wir wußten ja nicht, was mit Torild passiert war.«
»Das ist sicher richtig. Aber trotzdem. Haben Sie ihr nicht
vertraut?«
»Åsa? Denken Sie, wir hätten Grund dazu gehabt, nach dem,
was Sie heute gehört haben?« Noch einmal sah sie ihren Mann
an, als erwartete sie, daß er etwas sagen würde.
Aber Furubø starrte nur seine Tochter an, als sei sie eine
vollkommen Fremde, die sich ihm aufdrängte
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