Die Schrift an der Wand
an einen Mord im Affekt, provoziert durch Eifersucht oder
schlicht und einfach aus blinder Wut nicht ganz so fern, oder?«
»Wissen Sie etwas über diesen Freund, Veum?«
Ich hielt ihm Daumen und Zeigefinger der rechten Hand fest
zusammengekniffen vor das Gesicht. »So gut wie gar nichts. Ich
wußte nicht einmal, daß sie einen Freund hatte. Wie habt ihr ihn
gefunden?«
»Eine ihrer Freundinnen gab uns seinen Namen.«
»Åsa Furubø?«
Er zuckte mit den Schultern. »Der Rest war Peanuts. In gewisser Weise hatte er sich ja auch selbst ins Rampenlicht gestellt.«
»Wahrscheinlich seid ihr da oben am Fundort auf den gleichen
Gedanken gekommen wie ich, oder?«
»Und der wäre …?«
»Warum hätte er eine lange und unwegsame Böschung zu
einer dünnbewachsenen Schonung hinuntersteigen sollen, um
seine Notdurft zu verrichten, wenn er auf der rechten Straßenseite direkt zwischen den Tannen hätte verschwinden können?«
»Nein, genau. Aber er selbst sagt, es sei eben einfach so
gewesen, daß er vor dem Scheinwerferlicht eventuell vorbeifahrender Autos in Deckung gehen wollte.«
»Soll das heißen … Streitet er es ab?«
»Natürlich! Der Junge ist ein harter Brocken, kann ich Ihnen
sagen! Was glauben Sie wohl, warum er immer noch den Status
eines ›Zeugen‹ hat?«
»Mmh. Meinen Sie, ich könnte mit jemandem reden? Åsa?
Irgendein anderer? Es kommt vor, daß die Leute leichter mit
einem – einer Privatperson reden, als mit euch.«
Er sah mich finster an. »Aber nur … Nein, ich glaube, Sie
sollten höchstens … Diese Prostitutionsgeschichte, wie sind Sie
darauf gekommen?«
Also erzählte ich ihm, was ich wußte, sowohl vom Jimmy als
auch von den Wanderungen junger Mädchen zu Autos und
Hotelzimmern, unter Berufung auf Pressequellen, die ich nicht
beim Namen nennen konnte und Zimmermädchen, deren Namen
ich allerdings meinte, preisgeben zu können.
»Also dieses Mädchen, das Sie dazu gebracht haben, viel
zuviel zu sagen, sie war sich also sicher, daß es wirklich Torild
Skagestøl war, die Brandt an dem Tag bei sich hatte?«
»So gut wie.«
»Ich denke, wir werden wohl auch noch mal mit ihr darüber
reden müssen. Beim letzten Mal war es offensichtlich etwas zu
oberflächlich.«
»Dieses Lokal, das Jimmy « , sagte ich, »das erinnert einen ein
wenig an diese Schuppen, die es in den 50er und 60er Jahren
gab und die als die reinsten Verkupplungszentralen entlarvt
wurden. Sie wissen, wem es gehört?«
»Nein.«
»Birger Bjelland.«
»Dem scheinheiligen Stavangerheini! Na, wenn wir dem bloß
was nachweisen könnten, dann …«
»Das ist offensichtlich nicht leicht.«
»Er unterscheidet messerscharf zwischen seinen legalen
Geschäften und den illegalen, von denen alle überzeugt sind,
daß er sie betreibt.«
»Unsere Wege haben sich in den letzten Jahren oft genug
gekreuzt.«
»Aber ohne daß Sie ihn bei etwas Illegalem erwischt hätten,
was? Ich meine so erwischt, daß es auch im Gerichtssaal
juristisch ausgereicht hätte.«
»Stimmt leider. Aber was ist mit … Al Capone haben sie doch
zum Schluß mit einer Steuergeschichte drangekriegt.«
»Nutzlos. Er hat einen erstklassigen Steuerberater und liefert
zu den gesetzlichen Fristen jedes Jahr lupenreine Steuererklärungen und Jahresabrechnungen ab.«
»Aber eines Tages macht er einen Fehler, Helleve, und an dem
Tag …«
»An dem Tag werden wir in der Tür stehen und ihn hier
daheim willkommen heißen, da können Sie Gift drauf nehmen,
Veum!«
»Ist es in Ordnung, wenn ich mich wegen der Prostitutionsgeschichte ein wenig umsehe, auf eigene Faust?«
»Solange Sie streng dabei bleiben, und ich meine nicht als
Kunde, Veum. Aber sobald Sie sich an den Mord ranmachen,
und wenn es nur ein Millimeter ist, dann ist es aus und vorbei.
Dann haben Sie unverzügliche Meldepflicht – hier, oder beim
nächsten Polizeirevier. Ist das klar?«
»Befehl erhalten. Aus und vorbei.«
»Und nicht ein Wort an die Presse, Veum!«
»Kein Wort zu niemandem, wie gesagt. Hab ich doch irgendwo schon mal gehört«, sagte ich und ging.
22
Das Jimmy machte um zwölf auf, und es war gerade zehn nach,
als ich mich dem Eingang näherte.
Als ich durchs Fenster hineinsah, erkannte ich die Silhouette
eines Mannes, die sich deutlich gegen die grelle Beleuchtung im
Hinterzimmer abzeichnete. Hinter der Theke saß der Typ
namens Kalle, in derselben schmutzigen Kochjacke wie beim
letzten Mal, aber mit einer neuen Zeitung und wahrscheinlich
frisch aufgebrühtem Kaffee in
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