Die Schrift an der Wand
gegangen wäre?«
Trond Furubø ging um Holger Skagestøl herum und baute sich
Auge in Auge vor Bjørn Brevik auf. »Wir gehen damit zum
Chef, einverstanden?«
Brevik sah ihn herablassend an. »Von mir aus.«
Die Gruppe löste sich auf. Diejenigen, die nur neugierig
gewesen waren, zogen sich zurück, sichtlich enttäuscht, daß das
Drama vorbei war. Der Fotograf war noch immer bemüht,
Brevik zwischen sich und Skagestøl zu haben, und gemeinsam
gingen sie alle zur Tür.
Trond Furubø ließ seinen Blick über uns andere wandern, die
wir dastanden wie Zinnsoldaten in unseren Kästchen, an einem
x-beliebigen Verkaufstag im Spielzeuggeschäft.
»Was glotzt ihr so, verdammt noch mal?« warf er uns hin,
ohne sich an jemand Spezielles zu wenden.
Als er mich entdeckte, änderte er den Kurs ein wenig und
wurde lauter. »Na, jetzt bist du wohl zufrieden, was? Verdammter Schnüffler!«
Die Tür schlug hinter ihm zu, und die Zurückgebliebenen
drehten sich nach mir um, als ginge ihnen erst jetzt auf, daß sie
einen Neuen in ihrer Runde hatten.
Ich setzte mich hin und sah Laila Mongstad an. »Hast du eine
Ahnung, worum es ging?«
»Nein, aber das werden wir früh genug erfahren.«
»Aber was war denn das mit … Haben sie jemand festgenommen?«
Sie griff nach dem Telefon. »Wenn du einen Moment wartest,
werde ich mal …« Sie wählte eine Nummer, gab die Frage
weiter und lauschte dann schweigend. »Aha … genau … nein,
es war nur … danke dir.«
Sie legte auf und nickte. »Es dreht sich um den Jogger, der sie
gefunden hat. Aber er tritt bis jetzt nur als Zeuge auf.«
Aha. Dann hatten sie es also gesehen.
Als ich ging, gab sie mir einen flüchtigen Kuß auf den Mund,
wie um zu zeigen, was für gute Freunde wir noch immer waren,
wenn es denn nicht nur ein Ausdruck ihrer generellen Freigebigkeit war.
20
Samstag morgen war ich früh unten an der Tür, um die Zeitung
hereinzuholen.
Der Artikel war nicht zu übersehen. Der Redakteur hatte
offensichtlich zu Gunsten von Bjørn Brevik entschieden.
Die Überschrift lautete: ELTERN UNTER SCHOCK – Freund
der Toten im Verhör.
Ein großes Foto zeigte Holger und Sidsel Skagestøl, als sie
von einem uniformierten Beamten aus dem Polizeigebäude
begleitet wurden. Holger Skagestøl stand im Vordergrund, etwas
zu nah am Blitzgerät, und sein überbelichtetes Gesicht drückte
mit unmißverständlicher Deutlichkeit aus, daß es ihm nicht
gefiel, fotografiert zu werden. Sidsel Skagestøl wurde teilweise
von ihm verdeckt, aber ihr Blick war auf den Fotografen
gerichtet, überrumpelt und angstvoll, als sei ihr in einer dunklen
Seitenstraße unerwartet jemand zu nah getreten.
»›Wir ahnten noch nicht einmal, daß sie einen Freund hatte‹,
war Sidsel und Holger Skagestøls Kommentar, als sie gestern
gegen Mittag erfuhren, daß die Polizei einen Freund der toten
Torild Skagestøl (16) zum Verhör aufs Polizeirevier beordert
hatte«, hieß es in dem Bericht. »Oberinspektor Dankert Muus,
der die Untersuchungen leitet, will keinen weiteren Kommentar
abgeben, sondern nur bestätigen, daß der junge Mann als Zeuge
vorgeladen wurde. Von anderer Seite wurde der Redaktion
bestätigt, daß es sich bei dem Zeugen um den jungen Jogger
handelt, der spät am Donnerstag abend den Fund der Leiche
gemeldet hatte. Die Polizei will noch keine Auskunft darüber
geben, ob die Tote vor oder nach ihrem Tod sexuell mißbraucht
wurde. Torild Skagestøls Umgebung ist zutiefst schockiert über
den Mord. Freunde und Lehrer beschreiben sie als eine gute
Kameradin und eine angenehme Schülerin. Ein mögliches Motiv
für die Tat ist bislang noch unklar.«
Viel mehr war dem Artikel nicht zu entnehmen, der wegen der
frühen Druckzeit Freitag abend deutlich kürzer gefaßt war, als er
es an einem gewöhnlichen Wochentag gewesen wäre.
Nach einem fast ebenso kurzgefaßten Frühstück rief ich Karin
an und fragte, ob sie fertig war.
Wir verbrachten das Wochenende zwar nicht in einer Suite in
Solstrand, aber ausschließlich im Bett in einer Hütte in Sotra,
die ich ab und zu von einem entfernten Cousin ausleihen durfte,
der im Februar verständlicherweise nicht viel Verwendung dafür
hatte.
Schon auf der Sotrabrücke stellten wir fest, daß der Wind auf
Südwest gedreht hatte, daß das Quecksilber stieg und das
Wochenende wohl kaum dazu einladen würde, das Haus zu
verlassen.
Von der Hütte aus konnte man das Meer sehen, und nachdem
der Wind um einiges heftiger geworden war,
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