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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Barriere zwischen dem Verkehr in der
Sjøgate und den dümpelnden Möwen auf der Skutevikbucht.
    Der Name der Firma stand in großen schwarzen Buchstaben
an die Front gemalt, aber die grüne Tür war verschlossen, und
nur eine Klingel ohne Namensschild und eine Gegensprechanlage ließen darauf schließen, daß jemand auf die Idee kommen
könnte, dich hereinzubitten.
    Ich klingelte.
Eine Frauenstimme antwortete: »Ja?«
»Ist Birger Bjelland da?«
»Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Veum. Varg Veum.«
Es wurde still.
Nach einer Weile knisterte es wieder aus dem Lautsprecher.
    »Ist in Ordnung. Zwei Treppen nach oben.«
Das Türschloß summte und ich trat ein.
    Den Geruch von Stockfisch ganz wegzukriegen ist unmöglich.
Obwohl das Balkenwerk an der Decke neu aussah, alle Innenwände frisch gestrichen waren und der Teppichboden auf der
Treppe noch keine Anzeichen von Abnutzung zeigte, hing der
Duft dessen, wofür der Speicher einmal gebaut worden war,
noch immer in der Luft. Wenn man so wollte, hatte Birger
Bjelland sich die richtige Umgebung gesucht für den offiziellen
Teil seiner Geschäfte. Dies war der Duft der Handelsbeziehungen des alten Bergen, als Brückenkopf zwischen Nordnorwegen
und Europa, Brønnøysund und Rostock.
    Zwei Treppen höher endete die Treppe vor einer Tür, die einer
anderen Epoche angehörte. Die geriffelte Oberfläche der
mahagonibraunen, gebeizten Tür und das vergoldete Schild, in
das schwarz Birger Bjelland AG eingraviert war, hätten zum
Eingangsportal jedes x-beliebigen Agenturbüros Mitte der
sechziger Jahre gehören können.
    Ich öffnete die Tür und kam in eine Art Empfangsraum mit
niedriger Decke und überall spärlicher Beleuchtung, bis auf
einen kleinen Schreibtisch, wo ein starkes, weißes Neonlicht die
Frau einhüllte, mit der ich über den Lautsprecher gesprochen
hatte. Sie war Anfang Sechzig und so brav gekleidet, daß sie
Buchhalterin beim Missionsverein hätte sein können, und
niemand wäre jemals auf die Idee gekommen, sich an ihr oder
am Kasseninhalt zu vergreifen.
    Sie sah mich mit einer Miene an, als sei ich ein rückständiger
Zahler, und nickte zur nächsten Tür. »Sie können gleich
reingehen. Er erwartet Sie.«
    Ich klopfte trotzdem an und wartete ein paar Sekunden, bevor
ich die Tür öffnete.
Das Büro von Birger Bjelland lag zum Byfjord hinaus. So wie
der alte Speicher gelegen war, konnte er das Fenster öffnen, eine
Angelschnur auswerfen und sich zum Abendessen einen
Kohlfisch fangen, wenn er keinen Widerwillen gegen allzu hohe
Quecksilberwerte hatte.
Jetzt saß er am Schreibtisch, die eine Hand unter der Tischkante, wie der Erzschurke in einem James-Bond-Film, bevor er den
versteckten Knopf drückt, der eine Falltür öffnet und den
unerwünschten Gast direkt zu den Krokodilen in den Keller
befördert.
Er war nicht allein. Hinten, an einem Fenster, als würde er
eigentlich die Aussicht genießen, stand einer der massiven
Typen, die Birger Bjelland fast immer begleiteten. In anderen
Zusammenhängen hätte man sie als Leibwächter bezeichnet.
Bjelland nannte sie, nicht ohne eine gewisse Selbstironie, seine
Bürochefs. Dieses Exemplar sah jedenfalls so aus, als hätte es in
seinem Leben mehr Kartons mit anabolen Steroiden geöffnet als
Rechnungsbücher.
    Birger Bjelland selbst erinnerte leicht an einen Fisch an Land.
Sein kleiner Mund war halb geöffnet und die auffallend hellen
Augen waren ausdruckslos und glasig. Er trug einen gepflegten
kleinen Schnauzbart, hatte allerweltsfarbenes Haar mit hohem
Ansatz und etwas darüber, das vermutlich ein Toupet war.
Obwohl er recht schmal war, hatte er etwas Abgerundetes und
Stromlinienförmiges an sich, das verriet, daß er sich wohl auf
dem Rücksitz eines Taxis wohler fühlte als auf den Trimmrädern seiner Bürochefs.
    Sein verfeinerter Predigertonfall aus Stavanger hatte in meinen
schlimmsten Alpträumen widergehallt, seit ich ihn vor bald
sechs Jahren das erste Mal gehört hatte. Auge in Auge war ich
ihm beim Austausch einer Handvoll reservierter Floskeln im
Travpark begegnet, irgendwann im Oktober letzten Jahres. Beim
nächsten Mal würde ich es vorziehen, selbst einmal der Überlegene zu sein.
    »Setzen Sie sich, Veum«, sagte Birger Bjelland und wies mit
der freien Hand auf den großen, karmesinroten Ledersessel, der
auf der Kundenseite des Schreibtisches thronte.
Während ich Platz nahm, schielte ich zu seinem Bürochef
hinüber. »Störe ich vielleicht?«
     
»Nein,

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