Die Schrift in Flammen
kam die stark in die Einzelheiten gehende Anweisung zustande, die er in einem schönen Folioheft niederlegte und die alles, was den Sohn betraf, genau umschrieb. Ergänzend stellte er in einem Anhang noch Verfügungen über die materiellen Fragen hinzu. Darin überblickte er die Lage des gemeinsamen Vermögens und formulierte eine wohlwollende Meinung über die Angestellten. Er bat seine Frau, die Leitung der Angelegenheiten in eigener Hand zu behalten, stets selber zu entscheiden, sich mit allem, auch mit den Einzelheiten, selber zu befassen. Auch dies hatte er mit dem alten Herrn besprochen, und er handelte nach dessen Rat. Die beiden wollten der Frau helfen, ihr eine Aufgabe, eine ständige, verpflichtende Arbeit geben, die sie erfüllen und ihr erleichtern würde, die Trauer zu überwinden. Dieser Teil enthielt allerdings kein genaues Programm zur Führung der Geschäfte, sondern begnügte sich mit allgemeinen Sentenzen: Sie solle keine Neuerungen einführen, die anderswo noch nicht erprobt worden seien. Anonymen Briefen dürfe sie keinen Glauben schenken. Niemanden solle sie verurteilen, bevor sie sich über dessen Schuld vergewissert habe. Schmeicheleien möge sie geringachten.
Es war in der Tat ein glücklicher Einfall, Gräfin Róza diese Aufgabe zuzuteilen. Nach der tiefen Trauer der ersten Monate machte sie sich mit heroischer Selbstdisziplin an die Arbeit. Sie lernte die hinterlassene schriftliche Verfügung auswendig und suchte sie in allem zu befolgen und dem zu entsprechen, was ihr Gatte, den sie wie einen Halbgott geliebt hatte, vom Jenseits befahl. Das rettete sie, es half ihr zurück ins Leben.
Vor der Außenwelt aber verschloss sie sich. Anfänglich wollte sie selbst ihre Verwandten nicht treffen. Sie empfing auch keine Gäste. Sie erfüllte, was ihr Mann gewünscht hatte, mehr aber tat sie nicht. Auf diese Weise entfremdete sie sich stark ihrer natürlichen Umgebung. Solange ihr Schwiegervater lebte, kamen dessen Gäste bei ihr noch vorbei, aber nach Péter Abádys Tod besuchte sie niemand mehr. Das zeitigte schädliche Folgen. Am Ende kann doch niemand ganz allein leben, man braucht jemanden, an den man das Wort richten kann und der – und sei es nur als Echo – eine Antwort gibt. Und sie war gutherzig und voller Erbarmen. Sie spielte gern die gute Fee, die – wie die Vorsehung – helfend und rettend eingriff. So fanden sich manche, die das entdeckten und zu ihrem Vorteil nutzten, was ihnen umso leichter fiel, als die Frau den Satz über die Schmeichler wohl auswendig gelernt hatte, ihn aber anzuwenden nicht imstande war.
So machte Kristóf Ázbej ihre Bekanntschaft, ein von Torda stammender Anwalt, der nichts zu verwalten hatte, weil es ihm an Aufträgen fehlte; er traf sie, als sie irgendeinen unbedeutenden Prozess führte. Er hatte bald entdeckt, wie man die Gräfin behandeln musste. Mit jedem Wort, das er an sie richtete, rühmte er ihren verstorbenen Mann. Des Weiteren setzte er ihr auseinander, dass er, anders als die anderen Advokaten, Prozesse nur für gerechte Sachen führe, daher komme es, dass er sein Leben kaum fristen könne. Die verwitwete Frau Abády ging ihm gleich auf den Leim. Er tat ihr leid, und sie überließ ihm immer mehr Aufgaben. Am Ende wurde er ihr allmächtiger Gutsdirektor, obwohl er diesen Titel nur nach außen gebrauchte; vor der Gräfin verheimlichte er die Bezeichnung, für sie blieb er der Herr Ázbej.
Er wusste sich so geschickt unentbehrlich zu machen, dass Gräfin Róza selber ihn bat – »er selber, verhüt es Gott, brachte so etwas noch nicht einmal zur Sprache« –, nach Dénestornya, auf Herrn Péters Sitz zu ziehen, damit er stets bei der Hand sei. Auf gleiche Weise – sie spielte wieder die Rolle der wohltätigen Fee – kamen zwei ältere Frauen ins Haus. Die eine, Frau Tóthy genannt, war die Witwe eines reformierten Kantors. Von der anderen, Frau Baczó, erzählte man sich, sie sei einst in Dés Köchin gewesen. Sie wohnten im Schloss, und wenn Frau Abády über den Winter nach Klausenburg zog, wurde sie von den beiden auch dorthin begleitet. Sie saßen immer mit ihr im Salon, aßen in ihrer Gesellschaft, und zusammen mit ihr machten sie ihre Handarbeiten. Sie waren so etwas wie Haushälterinnen. Frau Tóthy beaufsichtigte die im Haus verrichteten Webarbeiten und kochte Lavendelspiritus, während Frau Baczó als Feldherrin des Eingemachten amtete. Diese Tätigkeit allerdings beherrschte sie ausgezeichnet.
Ihre Hauptaufgabe bestand darin,
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