Die Schrift in Flammen
der Herrin zuzuhören und allem, was sie sagte, stets zuzustimmen. Sie glichen dem Chor in den griechischen Tragödien, der den Vortrag des Helden verständnisvoll kommentiert und sich je nach Bedarf und Erwartung entsetzt oder verwundert gibt. Auch Klatschgeschichten, ob sie aus dem Haus oder von außerhalb stammten, waren ihre Sache. Nur übereinander und über Ázbej klatschten sie nie, denn er stand klug immer auf ihrer Seite; sie spannten vielmehr zusammen und bildeten ein richtiges Triumvirat – mit dem Unterschied, dass zwei von den dreien Frauen waren und nur einer ein Mann.
Gemäß einem ungeschriebenen Vertrag teilten sie das Abády-Reich unter sich auf – wie einst Octavian, Marc Anton und Lepidus das Römische Imperium. Ázbej herrschte über die Land- und die Forstwirtschaft, die Frauen herrschten über die Obst- und Gemüsegärten sowie das Schlossgesinde. In allem unterstützten sie einander gemäß einer Bindung, die nie beim Namen genannt wurde, die aber umso stärker hielt, und daraus zogen sie hübsch bescheiden vielfachen Nutzen. So verkörperten sie zu dritt eine große Macht. Einzig in Angelegenheiten des Gestüts und des Paradestalls hatten sie nichts mitzureden, weil Frau Róza sie darin nie um Rat fragte.
Sie saßen am Tag von Bálints Heimkehr nach dem Mittagessen im Salon beim schwarzen Kaffee. Róza Abády hatte in der Mitte des Kanapees Platz genommen, den langen Tisch vor sich. An dessen Ecken drüben die beiden Haushälterinnen, denn sie setzten sich anstandsbewusst nie in die Lehnstühle an den drei Seiten des Tisches, sondern auf daneben stehende starre, hohe Stühle. Bálint war unsicher, welche der beiden Frau Tóthy und welche Frau Baczó war, so sehr glichen sie einander; beide waren stattliche, kräftige Frauen mit bräunlichem Teint und Haar, winzigen, verfettet zugewachsenen Augen und hängenden Wangen. Ihr ganzes Äußeres wirkte wie eine Reklame für die üppige Siebenbürger Verpflegung. Bálint musste bei jeder Rückkehr stets von neuem lernen, dass Frau Tóthy ein dreifaches, Frau Baczó dagegen nur ein zweifaches Doppelkinn hatte. Einen anderen Unterschied gab es zwischen den beiden weder in der Stimme noch in ihren Gesten oder Worten.
Beide häkelten emsig, in gleichem Tempo, sie saßen ihm steif gegenüber, und Gräfin Róza hatte die bauchige, lackierte Chinatasse vor sich, in der sie ihre Handarbeit aufzubewahren pflegte. Sie gab sich aber jetzt damit nicht ab, sondern zog mit der kleinen, kindlichen Patschhand ihren Sohn aufs Sofa neben sich, und sie hielt seine Hand weiterhin fest. »Erzähl! Erzähl! Wo warst du? Was hast du erlebt?« Und ihre freudestrahlenden, ein wenig hervortretenden Augen weideten sich am Gesicht des Sohns.
Bálint erzählte. Er berichtete von der Jagd in Simonvásár, wer dabei gewesen sei und wer nicht, er sprach von den politischen Affären in Pest. Alles schilderte er ausführlich. Die Mutter hing mit dem Blick unentwegt an ihm. Sie hörte wohl kaum, was er sagte, sie schaute ihn fortwährend nur an, und ab und zu unterbrach sie seine Reden mit einer Frage: »Erkältet hast du dich nicht?« »Geht es dir gut?« Dabei drückte sie die in Gefangenschaft gehaltene Hand des Sohns, als wollte sie sich vergewissern, dass tatsächlich er es war, der zu ihr sprach und den sie neben sich sah.
»Jetzt bleibst du aber da, nicht wahr? Du verreist nicht gleich wieder? Du musst bleiben. Der Fasching beginnt bald … und es gibt da sehr hübsche Mädchen …«
»O, allerdings!«, sagte Frau Tóthy.
»Ja, allerdings«, sagte Frau Baczó, und die beiden setzten stumm ihre Häkelarbeit fort.
»Es wäre gut, wenn du dich unter ihnen umschauen wolltest, und wenn du dich hier niederließest, wäre das am besten.«
Diese Anspielung auf die Verheiratung, warum weckte sie in Bálint die Erinnerung an Adrienne? Ihm schien, ihr Antlitz habe sich ihm für einen flüchtigen Augenblick gezeigt.
»Ich bleibe da, Mama, und zwar für einige Zeit«, antwortete der junge Abády, und als wollte er ein Gelübde ablegen, hob er die kleine Hand der Mutter zu seinen Lippen. »Wenn es Neuwahlen geben sollte, was wahrscheinlich ist, werde ich möglicherweise kein Mandat mehr annehmen.«
Gräfin Róza stützte sich auf die Arme; sie fragte mit ernster Miene: »Nicht annehmen? Warum nicht?«
»Ich habe noch keinen endgültigen Beschluss gefasst. Was ich aber oben, in der Hauptstadt, gesehen habe, hat mich sehr verstimmt.«
»Am besten würdest du unsere
Weitere Kostenlose Bücher