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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Gastfreundschaft so wenig Würdigung fand. Die Konversation blieb für einige Minuten stecken. Feindselig saßen sie einander gegenüber. Dann meldete sich Bálint in amtlichem Ton zu Wort: »Bitte, Herr Forstverwalter, geben Sie mir die Karte unseres Hochgebirgsguts. Ich will sie mitnehmen und mit der Militärkarte vergleichen.«
    »Es hat da irgendeine Mappe gegeben, aber ich weiß nicht mehr, wo ich sie hingelegt habe. Selber brauche ich sie nicht, denn ich habe alles im Kopf«, erwiderte Nyiressy in hoffärtiger Ruhe, und unbeweglich schmauchte er weiter an seiner Pfeife.
    Lautes Hundegebell erhob sich draußen. Selbstbewusst stampfende Schritte im Vorbau folgten. Die Tür ging auf, als risse man sie aus der Verankerung, und ein stämmiger Mann betrat den Raum. Er trug am kräftigen Leib einen kurzen Pelzrock und eine aus grau gestreiftem Stoff verfertigte Reithose mit drei Perlmuttknöpfen an den Oberschenkeln, die gewöhnlich zur Ausstattung von Husarenoffizieren gehörte, sogenannte englische Breeches, wie sie sich Schneider auf dem Land vorstellten. Die Füße steckten in Lackstiefeln, in der Hand hielt er eine Hetzpeitsche. Den Jägerhut, auf dem hinten eine gewaltige Schweinsborste in alle Richtungen auseinanderstrebte, nahm er beim Eintreten nicht ab, streckte aber die Rechte schon von weitem vor.
    »Gaszton Simó bin ich«, sagte er mit einem Selbstbewusstsein, alsmüsste sich bei diesem Namen jedermann zutiefst verbeugen. Abády fand ihn gleich im ersten Augenblick widerwärtig. Er tat folglich, als sähe er die ihm entgegengestreckte Hand nicht und antwortete kalt: »Nehmen Sie Platz, Herr Kreisnotar.«
    Der alte Nyiressy nahm dies äußerst übel. Er wusste wohl, dass das Haus und alles, was da stand, dem Gut gehörte, dass er hier als Angestellter wohnte und dass selbst von den Möbeln nur ein Teil sein Eigentum war, er hatte sich aber in den Jahren daran gewöhnt, alles für seinen Besitz zu halten, sodass ihm der Satz nun einen Stich ins Herz gab. Wie konnte es dieser Magnatenbub wagen, hier bei ihm den Hausherrn zu spielen, dachte er. Mit umso größerer Liebenswürdigkeit begrüßte er seinen Freund: »Wie geht es, Vetter, was tut sich bei dir, na, ein bisschen Schnaps, nett von dir, dass du gekommen bist …« Ähnliches wiederholte er, während er beim Ausziehen der Pelzjacke half, den Hut und die Peitsche auf den Tisch legte und dem Notar, den er höchst freundschaftlich an der Schulter fasste, den Weg zum dritten kleinen Lehnstuhl wies. Und sogleich verkündete er klagend: »Der Graf will zum Mittagessen nicht bleiben, sondern gleich weiterziehen, auf den Berg hinauf.«
    Gaszton Simó wandte sich fragend Abády zu. Dieser konnte nun dessen Gesicht gut sehen. Es war ein hartes, entschlossenes Gesicht: kurzgeschorenes Haar über einer niedrigen Stirn, die unten durch zwei buschige Brauen noch zusätzlich verkürzt wurde. Darunter zwei kleine, schlaue Augen, die Schuhknöpfen ähnlich glänzten, ein schwarzer, üppiger Schnurrbart und schmale Koteletten am Rand der Wangen. Er machte einen kräftigen und verschlagenen Eindruck. Dieser Art, sagte sich Bálint, mochten die Hauptleute der alten Haiducken gewesen sein, über die István Nagy Szabó in seiner Chronik berichtete, sie hätten um Sold jedem beliebig gedient und sich nie darum gekümmert, wessen Volk sie gerade peinigten.
    »Ist es etwa nicht verrückt, so in der Winterszeit dort hinaufzuwollen?«, fuhr der greise Nyiressy verärgert fort.
    Simó indessen gab nicht die vom Alten erwartete Antwort: »Warum denn? Das Wetter ist jetzt oben schön, obwohl die Nacht kalt wird. Letztes Jahr, erinnerst du dich? Als mein Onkel, der Kammerherr Miklós Simó, und ich selber unter dem Humpleu auf der Jagd waren und am Priszlop übernachteten, das war auch so im Februar.« Dann wandte er sich an Bálint: »Aber sind Sie, Herr Graf, mit allem ausgestattet, mit Schlafsack, Pelzdecke, wasserdichter Plache, Teekocher? Wenn irgendetwas fehlen sollte, leihe ich es gern aus, denn ich bin gut ausgerüstet, und ich würde Sie sogar mit Vergnügen nach oben begleiten, da kann ich selber in allem zum Rechten sehen.«
    »Danke, ich habe alles Nötige mit. Man ist gerade dabei, die Pferde zu beladen.«
    »Und wann kehren Sie zurück? Es wäre mir eine Freude, Ihnen an dem Tag ein Reh zum Geschenk zu machen. Sie könnten es gleich hinunterbringen …«
    »Ein Reh?! Im Februar?«
    »Bitte, hier im Hochgebirge gilt kein Jagdgesetz!« Simó lachte selbstgefällig.

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