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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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fort, und nachdem sie die ausgebaute Straße verlassen hatten, wandten sie sich am linken Ufer des Szamos in einem Bogen der Bergflanke zu. Nun folgten schneebedeckte Felder, voneinander durch Tannenholzschranken getrennt. Manchmal zeigte sich eine Baumgruppe, und hier und dort steckte ein Fels seine kantige Fratze aus der weich anliegenden Schneedecke hervor. Am Rande einer Hangrinne neigte sich eine alte Weide über den Weg. »Das hier ist unsere Grenze«, sagte der Vizeförster, »dieser Graben.« Die Pferde beschleunigten ihren Gang. Sie fühlten die Nähe des Stalls. Zügig schritten sie eine kurze, steile Strecke aufwärts.
    Dichter Tannenforst hinter einem Bretterzaun. Dazwischen auch einige Bergeschen, die ihr Laub schon längst verloren hatten; nur die braunroten Beeren bildeten Quasten am Ende der Zweige. Der Schlitten beschrieb eine Kurve, fuhr hinauf durch das Tor und hielt vor dem Gebäude des Forstverwalters. Herr Kálmán Nyiressy empfing den Gast auf den Treppenstufen des Vorbaus. »Willkommen! Willkommen!«, wiederholte er freudig, holte seine gewaltige Meerschaumpfeife unter dem Schnurrbart aus dem Mund hervor und schüttelte mit der Rechten mächtig die Hand des Ankömmlings. »Ich hätte gar nicht geglaubt, Herr Graf, dass Sie es zur Winterszeit wagen, herzukommen. Bitte nur herein, ein bisschen Schnaps wird nach der langen Schlittenfahrt guttun. Und ein wenig was zum Beißen auch, ich habe Sie nämlich erst gegen zwei Uhr erwartet und das Mittagessen für diese Zeit bestellt.«
    »Zum Mittagessen kann ich nicht bleiben, denn ich will vor Einbruch der Dunkelheit auf dem Gyalu Boti sein, damit wir dort unser Nachtlager aufschlagen können.«
    Der alte Nyiressy war bestürzt: »Sie bleiben nicht? Bleiben nicht, erweisen also meinem Haus nicht die Ehre? Dabei habe ich auch Gäste eingeladen. Zwei gute Freunde von mir werden da sein: Gaszton Simó, der Notar von Gyurkuca, und der staatliche Forstingenieur. Sehr feine Leute, besonders Simó. Er stammt auch aus einer sehr guten Familie, er gehört zu den Simós von Büd-Szent-Katolna. Sein Onkel ist Kammerherr und seine Großmutter eine Baronin Birkenstein, das wäre wirklich eine Gesellschaft für Sie, Herr Graf, wirklich. Am Abend könnten wir auch eine Tarockpartie austragen, und wenn Sie unbedingt hinaufwollen, könnten Sie es am Morgen versuchen.«
    Sie setzten sich im Vorraum, der auch als Esszimmer diente. Die Luft war etwas muffig, es roch nach Pfeifenrauch. Die Wände hatte man knallbunt bemalt, Volksstickereien und kleine, gerahmte Fotografien waren aufgehängt, darunter ein einziges vergrößertes Bild; es stellte Herrn Nyiressy dar, und zwar so stark retuschiert, dass man ihn nur an seinem Bart erkannte. In der Mitte stand ein viereckiger Eichentisch jener Sorte, die man in den achtziger Jahren für »altdeutsch« gehalten hatte. Darum herum Stühle im gleichen Stil. In einer Ecke befanden sich eine Plüschgarnitur und ein Tischchen, das seine gedrechselten Beine närrisch auseinanderwarf. Ein Kästchen, von lauter kleinen Schneckenhäuschen bedeckt, stand darauf; Nyiressy war wohl der Meinung, es handle sich dabei um Kunst. Hier ließen sie sich nieder.
    Zwei junge rumänische Dienerinnen trippelten herein. Sie waren sehr reinlich gekleidet, trugen Blusen, breite, bestickte Stoffgürtel, um ihre Beine hatten sie weiße Schaffelllappen gewickelt, an die sich kleine Bundschuhe schlossen. Die erste brachte winzige Gläschen und die Schnapsflasche auf einem kleinen Tablett, die andere ein zum Getränk passendes Gebäck in einer Schale. Sie stellten das Mitgebrachte beidseitig neben das Schneckenkästchen, lächelten Bálint zu, und eine sagte: »Poftiti, Mariasa!« Und als sie hinaustrippelten, zwinkerten sie von der Tür zurück.
    Abády blickte ihnen unwillkürlich nach.
    »Hübsche Mädel, nicht wahr? Na, sehen Sie, Herr Graf, wenn Sie dableiben, schicke ich Ihnen abends eine in Ihr Zimmer. Welche wollen Sie? Oder werden Sie womöglich mit beiden fertig, junger Herr?« Der Alte lachte und fügte dann schelmisch hinzu: »Manchmal mache auch ich eine Kostprobe!« Und prahlerisch zwirbelte er sich den schaumweißen Schnurrbart.
    »Ich bleibe nicht«, erwiderte Abády frostig. »Ich habe meine Anordnungen bereits getroffen, ich warte einzig, bis die Pferde beladen sind.«
    »Schade! Schade! Schade!«, wiederholte Nyiressy dreimal, und nach jedem Wort paffte er aus der Pfeife; er war offensichtlich sehr beleidigt, dass seine orientalische

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