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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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die eigene Achse, als triebe sie ein lustvoller Rausch von einem Mann zum anderen, während sie auf die beiden mit lachendem Mund und leicht aufgelöstem Haar zuflog. Nein, das war nicht der Tanz der jungfräulichen Göttin, hier tobte vielmehr eine unbewusste Wildheit, eine Leidenschaft voller Liebessehnsucht, das war eher eine junge Mänade, die bei einem winterlichen, zaubertollen Bacchanal den Tanz der Umarmungserwartung tanzte und ihren Leib trunken machte, indem sie beim Laufen die Beine hochwarf, die Arme ausbreitete und den Kopf nach hinten legte. Ein hinreißender Anblick, der im Dämmerlicht beinahe geheimnisvoll wirkte.
    Bálint kam es vor, als habe er etwas Verbotenes, vor ihm Verheimlichtes belauert. Das war nicht jene Adrienne, die er bisher gekannt hatte. Nicht die trotzige Addy, die er in ihrer Mädchenzeit getroffen, nicht die ein wenig bittere Adrienne, mit der er sich vor der Mondscheinlandschaft unterhalten hatte, und auch nicht die spielerische, kindliche Adrienne beim Herumtollen mit ihren Schwestern in Mezővarjas, nicht jene enttäuscht sprechende, die auf der Bank neben ihm saß und so beleidigt war, weil er gewagt hatte, ihren Arm zu küssen. Das war eine andere, wieder eine andere – die kokette, verführerische Frau, eine ganz andere. Mit einem Mal kam er sich hier fremd vor, er fühlte sich wie ein Eindringling, der hier nichts zu suchen hatte; vielleicht war er nur einer unter vielen, die sie zum Narren zu halten suchte.
    Der Leierkasten verstummte. Adrienne und die zwei jungen Männer glitten auf ihren Schlittschuhen zu einer entfernt stehenden Bank. Dort setzten sie sich auf die Pelzdecke und taten sich an den Speisen gütlich. Abády konnte selbst aus der Ferne erkennen, wie gutgelaunt sie scherzten und lachten und der warme Tee aus der Tasse der Thermosflasche dampfte.
    Was stehst du da? Was lauerst du?, sagte sich Bálint, drehte sich um und ging hinaus in die tiefe Dunkelheit der Allee.
    Gemächlich spazierte er nach Hause.
    Noch gleichen Abends gab er ein Telegramm auf: »Die Pferde sollen Mittwochmittag in Béles sein. Beim Sieben-Uhr-Zug am Morgen soll mich bei der Station ein Schlitten erwarten.«

    9 Deutsch im Original (A.d.Ü.)

III.
    Der Schlitten fuhr vor der Kulisse der jungen Tannen fröhlich klingelnd hinab, nachdem er die Wasserscheide des Bergs Csonka hinter sich gelassen hatte. András Mézes Zutor, der Vizeförster, der in Klausenburg bei Bálint vorgesprochen hatte, saß auf dem Bock mit János Rigó Okos, Kutscher beim herrschaftlichen Gut. Beide trugen langärmelige Flanelljacken, deren Knopflöcher schöne blau-rote und grüne Stickereien schmückten, und darüber ärmellose Schaffellwesten. Diese waren abgenutzt, denn das Hochgebirge ist keine Welt für neue Kleider, doch ließ sich erkennen, dass man das Leder einst mit zahlreichen gestickten Blumen und in deren Mitte mit einem kleinen Wappen Ungarns verziert hatte. Die Jacken wie die Westen waren kurz. Beugte sich einer der Männer nach vorn, dann wurde durch die Öffnung über dem Gürtel der nackte Rücken sichtbar, sonnengebräunte Haut, denn die Männer von Kalotaszeg pflegen kurze Hemden zu tragen und frieren nicht am Rücken wie andere. Die beiden waren von gleichem Wuchs. Ihre ausladenden Oberkörper glichen Bällen, ohne dass sie dick gewesen wären, und mit ihren breiten Schultern fanden sie zu zweit auf dem engen Schlittenbock fast keinen Platz.
    Bei einer Biegung der Straße drehte sich Bandi Mézes um: »Dort ist Béles«, sagte er zu Bálint. Viele schindelgedeckte Häuser standen in der Senke. Lange Arbeiterbaracken reihten sich schwarz aneinander, traurigen Särgen ähnlich, Beamtenwohnungen, eine Kantine, und weiter am Szamos, wo ein Bach in den Fluss mündete, erhob sich die von vielen Rundholzstapeln, würfelartigen Bretterhaufen und Sägemehlhügeln umgebene Halle der Dampfsäge. Weit war der Ausblick zwar nicht, aber jetzt öffnete sich die Landschaft. Die Berge gegenüber, der Gyalu Boulini und seitwärts der Funcinyeli, hüllten sich in graublauen Dunst, den der vom Maschinenraum in langem Streifen aufsteigende Rauch beschmutzte. Die Fabriksirene tutete. Mittagszeit.
    Lange Bauten entlang, vor denen man den Schnee kotig niedergestampft hatte, fuhren sie durch die Anlage des Sägewerks. Das alles, erklärte ihm Mézes, gehöre zum Staatsforst, zum Gut von Gyalu. Der eine oder andere Tagelöhner gaffte und blickte ihnen nach, hier und dort zog einer die Mütze, doch sie setzten ihren Weg

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