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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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gesehen haben, da muss man dabei sein! Später, an langen, dunklen Abenden kann man dann darüber ausführlich reden. Auch die zwei hübschen Dienerinnen schlichen sich hinaus und stellten sich hinter die Ecke des Vorbaus, um zu sehen, wie der junge Mariasa ins Gebirge aufbrach. Kokett äugten sie neben dem inneren Zaun hervor.
    Abády saß schon im Sattel, und Mézes ordnete seinen Bügelriemen, als Gaszton Simó zu ihm trat, nachdem er zuvor mit dem alten Nyiressy kurz geflüstert hatte.
    »Herr Abgeordneter, nicht wahr, Sie erlauben, dass ich Sie ein Stück begleite?«, sagte er.
    »Ich dachte, Sie würden hier bei Nyiressy zu Mittag essen«, antwortete der junge Mann, den es ganz und gar nicht nach dieser Gesellschaft gelüstete.
    »Zu der Zeit werde ich schon zurück sein. Inzwischen aber möchte ich Sie etwas fragen … etwas … nicht den Magnaten fragen, sondern den Politiker!« Und da Bálint mit der Antwort zögerte, warf er sich auf den Schimmel und sprengte heran, er stellte sich neben ihn. Die Karawane setzte sich in Bewegung.
    Vizeförster Mézes ritt an der Spitze. Sein gewölbter Oberkörper über dem Holzsattel und den schmalen Hinterbacken des Pferdchens wirkte wie eine riesige Erdkugel. Er ritt mit kurzen Bügelriemen, von weitem hätte man meinen können, er kniee auf dem Pferd, das er allerdings geschickt und mit großer Kenntnis lenkte.
    Hinten, zu Fuß, folgten die Dienstleute, neben ihnen die Lastträgerpferde im Gänsemarsch, in dichter Reihe, als hätte man den Kopf eines jeden an den Schwanz des vor ihm schreitenden gebunden. Zwischen Bandi Mézes und dem Lastenzug, der einen gebührenden Abstand hielt, trabten Abády und der Herr Notar.
    Nach etwa hundert Schritten begann Simó zu reden. Er sprach über die letzten Wahlen, darüber, dass die Regierungspartei in Minderheit versetzt worden sei. »Wer hätte das gedacht, sich das vorgestellt? Und was nun? Was geschieht mit der 67-er Verfassung? Was wird der König tun? Wer soll Ministerpräsident werden?« Und um sich mit seinen breiteren politischen Kenntnissen zu brüsten, setzte er die verschiedenen Möglichkeiten langwierig auseinander. Dieser Graf, dieser Abgeordnete sollte nur sehen, dass er kein kleiner Tintenschlecker-Notar der üblichen Sorte war, sondern ein Mann von weitem Horizont, jemand, der ein besseres Los verdienen würde. Während der Pausen blickte er Bálint immer fragend an – in Erwartung der Antwort. Dieser erwiderte lange nichts, bevor er schließlich sagte: »Man kann heute noch gar nichts wissen. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Oppositionskoalition die Regierung bildet, denn das wäre die einzige parlamentarische Lösung.«
    »Hm!«, ließ sich Simó vernehmen. »Hm. Die Koalition? Wäre das wirklich möglich?«
    Eine Weile schwieg er. Man sah ihm an, dass er die Idee sehr unangenehm fand. Dann holte er zu neuen Erklärungen aus: »Das wäre ein schrecklicher Schlag. Ein schrecklicher Schlag für das Land.« Und wortreich setzte er abermals auseinander, dass die Demagogie und die Parteienleidenschaft einerseits und anderseits die Königstreue und die Monarchie, dass ferner die Ordnung und das Gesetz, bis er bei der Vermutung landete, dass man sich nun womöglich an den anständigen Leuten rächen werde, die dem bisherigen System gedient hätten. »Die dienen mussten. Jawohl, mussten. Das ist sehr schlimm, sehr gefährlich. Ja, sehr.« Ob der Herr Graf glaube, dass man die Anhänger der früheren Mehrheit verfolgen werde?
    Bálint begriff, dass der Kreisnotar um sich selbst besorgt war. Er suchte ihn zu beruhigen: »Sie haben nichts zu befürchten, Herr Notar. Notare werden ja von der Gemeinde auf Lebenszeit gewählt, und man kann sie, außer auf disziplinarischem Weg, ihres Amts nicht entheben.«
    »Ja, natürlich, ja, gewiss! Das ist so, sicher«, sagte Simó lustlos. Nun zögerte er ein wenig, blickte um sich, ob ihn niemand belauschte, und schlug dann einen vertraulichen Ton an: »Nur unter uns, die wir Ehrenmänner sind, mein lieber Graf, wozu soll ich es verheimlichen? Die Sache ist die, dass ich es war, der die letzten Wahlen im Kreis Hunyad entschieden hat. Der Kandidat der Regierungspartei kam mit neun Stimmen Vorsprung durch, und ich hatte von hier siebenunddreißig Leute hingebracht. Jeden Mann, nicht einer hat gefehlt. Nun heißt es aber, dass man die Wahl anfechten will. Man behauptet, zwanzig von meinen Wählern seien andere gewesen, als auf den Listen vermerkt. Sie sagen, es habe sich nicht um die

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