Die Schrift in Flammen
Vertiefung, deren es in diesem Kalkgebirge nicht wenige gibt, zu einer runden, kraterartigen Doline, aus welcher der geschmolzene Schnee auf unterirdischen Wegen abfließt, um unten im Tal aus der einen und anderen Höhle schon als Bach herauszutreten. Sie ließen sich nieder und stillten ihren Hunger. Sie saßen rund um das Feuer, denn Schukuzo hatte es selbst hier fertiggebracht, Wacholderzweige zu entzünden; da, wo sie sich befanden, auf dieser Höhe, gab es nichts anderes mehr.
Bálint saß auf einem flachen Stein, auf den er seinen Pelz gelegt hatte. Die Runde bot einen überraschenden Anblick: Als säße er in dem zu Eis gefrorenen Schnee mitsamt seinen Begleitern auf dem Boden eines Kessels, dessen Rand in leicht unregelmäßiger Linie Felsen bildeten. Es waren würfelartige, weiße, von dunkelgrünem Moos gepolsterte und von Schneestreifen durchzogene Blöcke. Nicht einmal ein Windhauch regte sich hier unten, während oben ein Orkan tobte, der den Pulverschnee gegen den bläulich glänzenden Himmel trieb; er schuf daraus einen ausgefranst wehenden Schleier, der, einer Fahne gleich, aufwärts flatterte, höher, immer höher, in schwindelerregende Höhen, wo im Sonnenschein tausend Diamanten erstrahlten, bis der Schleier dann jäh zerfiel und fortflog, um sich alsbald anderswo neu aufzutürmen und mit seinen wirren Faltenwürfen in anderer Form zu erscheinen. Wenn der Wind manchmal einen Fetzen in den Krater schleuderte, prasselten die vielen Rauhreifsplitter wie winzige Schrotkugeln auf das Eis.
Sie konnten hier nicht lange verweilen, sie mussten weiter, auf dem Grat weiter südwärts. Der Wind fiel ihnen nun in den Rücken. Er blies nicht nur den Schwanz, sondern auch die Mähne der Pferde nach vorn, sodass man hätte meinen können, lauter Einhorne schritten auf dem Bergkamm. Von der Landschaft sah man kaum etwas, denn Hochwald erhob sich auf der linken Seite, rechts aber, über dem Steilhang, jagte der stürmische Wind geballte Schneewolken, die sie unaufhörlich begleiteten und alles verdeckten. Im Schneegewölk ließ sich der riesige Berg drüben nur erahnen: der langgezogene Tyikló, nur einige Meter niedriger als der Vlegyásza.
Bei Dämmerung langten sie unten am Szamos an. Die Landschaft weitete sich. Für die Pferde konnte man hier Heu kaufen. An einem seitwärts geschützten Ort errichteten sie rasch ihr Nachtlager. Wie am vorangegangenen Tag schossen davor bald die Flammen über dem breiten Holzhaufen in die Höhe. Das Nachtessen ging vorbei, auch die Schnapsverteilung kam an die Reihe, und später gesellten sich wieder mehrere Leute aus der Nachbarschaft zum Kreis, um sich lange zu unterhalten. Und nachdem sich Bálint hingelegt hatte und sie meinten, er schlafe, sprachen sie über ähnliche Dinge wie am Abend zuvor. Die Rede war wieder vom Notar und vom Popen, sie wurden erneut verflucht, besonders aber verwünschten sie einen gewissen Pantelimon Rus, den »der Dracu schlagen sollte«.
Am nächsten Tag setzten sie die Reise fort. Schon vor zehn Uhr erreichten sie die ersten Häuser von Gyurkuca. Ein niedriger, aber steiler Hügel erhob sich am anderen Ufer des Szamos. Oben glich seine Form einer Semmel, der Vorderhang war aber felsig und wie eine Halbinsel, so saß er am Fluss, der sich um ihn schlängelte. Mitten in der Kurve führte ein Laufsteg über das Wasser. Das nun, allerdings, war ein merkwürdiges Gebilde. Gehalten wurde es von furchtbar hohen Böcken, wovon zwei in Ufernähe und einer in der Mitte der Wasserfläche standen; zwei hintereinander gelegte dicke, flachgehobelte Balken lagen darauf, drei bis vier Meter über dem Eis, weit oben, damit sie bei Hochwasser nicht weggeschwemmt würden; den steil hinaufführenden Zugang bildeten je zwei runde Stämme, die unter jedem Schritt federten – ersetzbare Hölzer, die man bei höherem Wasserstand gegen längere austauschen konnte. Vor dem Steg erwarteten bereits drei Männer Abádys Karawane.
Zwei von ihnen waren ältere Leute, ihre grauen Haare trugen sie neben beiden Ohren altmodisch gezopft. Sie hatten für diesen Tag ihren Sonntagspelz angelegt, und Abády war noch hundert Schritte entfernt, als sie ihre Schaffellmützen schon hastig zogen. Timbuș, der Pope, stand in der Mitte, ein dicklicher Mann mit einem schwarzen Spitzbart vor dem Doppelkinn. Er trug über seiner Robe einen Pelz und dazu um der Feierlichkeit willen einen breitrandigen Seidenhut, als erwartete er einen Bischof. Sie verbeugten sich mehrmals emsig, als
Weitere Kostenlose Bücher