Die Schrift in Flammen
an der Wand über und neben der winzigen Eingangstür: das Jüngste Gericht. Riesige, schauderhaft fratzenhafte Satane verschlangen hier die Sünder, zehn bis zwanzig auf einmal. Diese mochten alle Ungarn sein, denn sie trugen schnurverzierte Röcke, Stiefel und hatten große Schnurrbärte; der Teufel holte sie womöglich darum, weil sie alle Calvinisten waren. Die Engel dagegen transportierten lauter Leute mit breiten Leibgurten und bis zum Knie reichenden Hemden ins Reich des Heils.
Bálint fand keine Zeit, die Fresken weiter zu betrachten, denn Hochwürden Timbuș begann zu reden. Die Gläubigen, berichtete er, fänden keinen Platz mehr. Zweitausend Seelen zähle die Gemeinde. Es sei zu eng, nicht einmal für die Hälfte reiche es. Sie möchten die Kirche vorne erweitern, man brauchte etwa vierzig Balken, damit ließe es sich machen. Vierzig Balken und zwanzig Dachsparren. »Mehr brauchen wir nicht, nur so viel. Aber die Gemeinde hat kein Geld. Es fehlt an Geld, es fehlt! Wenn wir also die vierzig Balken …«
»Aber was geschieht mit dem ›Jüngsten Gericht‹, wenn die Erweiterung dort hinkommen soll, wird es vernichtet?«, fragte Bálint.
Der Pope hatte vielleicht das leicht spöttische Lächeln bemerkt, mit dem Bálint die zu Höllenqualen verdammten Ungarn musterte. »Macht nichts! Das ist ohnehin schlecht, das macht nichts, schlecht, schlecht!«, wiederholte er einige Male, und dann fasste er den Mantelsaum des jungen Herrn und schleppte ihn ins Freie, um seine Erklärungen dort fortzusetzen. Unterdessen sparte er nicht mit Beteuerungen: »Hierher, da, in den Lagerbalken wird man einritzen, dass Graf Abády das Holz der Kirche geschenkt hat, Ihr Name wird dastehen bis ans Ende der Zeiten.« Der Priester glaubte gewiss, dies sei ein schlagendes Argument, und er zwinkerte mit schlauer Wärme, als Bálint ihm das Holz versprach. Dabei hatte er schon auf dem Hinweg beschlossen, das Verlangte zu genehmigen. Ihm lag einzig daran, die Zusage selber zu machen und nicht durch den Notar.
Beim Hinuntersteigen gingen sie erneut an dem jungen Mann vorbei, der auf den Kissen lag. Sein Vater wies ihn nun an zu grüßen. Er sagte ihm, dass sie das Holz bekommen hätten. Der Junge nickte mit dem Kopf. In seinem Blick glühte aber unveränderter Hass, und seine Augen folgten auch jetzt Abády, als sich dieser entfernte. Unten, beim Laufsteg, nahmen der Pope und die zwei Alten mit der gleichen Zeremonie Abschied, und als er von dort hinaufblickte, sah er, dass der brustkranke junge Mann immer noch auf ihn starrte.
Erneut folgten sie den Szamos entlang einem langen Weg bis nach Tószerát. Das war der Standort eines zum herrschaftlichen Gut gehörenden Sägewerks, und Gheorghe Crișan hatte seine Wohnstätte gleich daneben. Von dort zogen sie wieder bergauf zur Wegkreuzung, wo sie den Beschluss fassten, die Route dem Grat nach in Richtung des Wasserfalls zu nehmen. Nach kurzer Zeit passierten sie eine breite Schneise, wo der Wind den Wald niedergelegt hatte. Über das enge, aber sehr tiefe Tal hinweg öffnete sich hier die Sicht auf den Hang drüben, an dem verstreut Häuser standen.
Weit, vielleicht einen halben Kilometer von den anderen Gebäuden entfernt und in beträchtlicher Höhe erhob sich ein aus Steinen erbautes und – auf eine im Hochgebirge wunderliche Art – von Ziegeln, nicht von Schindeln gedecktes Haus. Vor jedem seiner Fenster hatte man dicke eiserne Gitter angebracht. Eine starke Steinmauer, an welche der Wind hohe Schneeverwehungen herangedrückt hatte, umgab das Grundstück. Obwohl sie sich auf dem diesseitigen Grat befanden, bellten drei ungeschlachte Köter entsetzlich herüber.
»Was für ein sonderbares Haus ist das dort oben?«
»Es gehört irgendeinem Pantelimon Rus«, antwortete ihm Bandi Mézes. »Der ist hierhergezogen.«
Bálint merkte bei diesem Namen auf. Er nahm das Haus näher in Augenschein.
»Und warum hat er so etwas Festungähnliches gebaut?«
»Tja, bitte sehr, ich weiß es nicht … kann sein, dass er vor den Leuten Angst hat.«
»Warum hat er Angst?«
»Tja … halt nur so.«
Bálint befahl nun dem Vizeförster, nicht um den heißen Brei herumzureden. Dieser erzählte hierauf, dass besagter Rus irgendwo auf dem Erdőhát »dascal«, das heißt rumänischer Volksschullehrer, gewesen sei. Dort habe er vielleicht eine Vorschrift verletzt, andere behaupteten, etwas sei mit den kleinen Jungen passiert. Man habe ihn entlassen. Brotlos sei er zu seinen Verwandten
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