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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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geschlossenen Augen verweilte er einige Minuten, während ihn ein Glück überflutete, wie er es noch nie empfunden hatte. Dann lief er nach oben, indem er im Lauf und Sprung zwei bis drei Stufen auf einmal überwand. Hastig zog er den Pelz über und eilte wieder hinunter. Heller Morgen herrschte draußen. Neuschnee, ein paar Fingerbreit, war gefallen.
    Langsam ging er nach Hause, er schlenderte beinahe. Die Minoritengasse, die Farkas-Straße waren leer – niemand außer ihm. Seine schmalen Lackschuhe zeichneten scharfe Abdrücke in die noch unberührte Schneedecke. Als watete er – wie gut, wie schön! – durch kaltes Wasser. Ein wunderbar heller, glänzender Morgen überall. Er schritt allein auf dem lautlosen Gehsteig.

    10 »Lebensbejahung« deutsch im Original (A.d.Ü.)

VI.
    Adrienne lehnte in der dunklen Kalesche stumm in einer Wagenecke. Judith neben ihr tat das Gleiche. Auch sie sprach nicht. Auch sie hatte sich eng in ihren Shawl eingewickelt und verbarg sich tief in ihrem Pelzkragen. Um ihren Mund zeichnete sich der gleiche gespannte Zug ab, der ihre Miene wie Marmor erstarren ließ, und beide hielten die Augen geschlossen, als schliefen sie oder als wollten sie ein Geheimnis vor der Außenwelt behüten. Einzig Margit, auf dem gepolsterten Klappsitz ihnen gegenüber, war wie immer: munter, wach und gutgelaunt. Die Mädchen stiegen beim Haus Milóth aus. »Auf Wiedersehen«, sagten sie und schritten eilig durch das bereits geöffnete Tor. Die Kutsche setzte die Fahrt stadtauswärts auf der Monostori-Straße fort. Sie kam geräuschlos voran. Der frisch gefallene Schnee dämpfte selbst das Geklapper der Pferdehufe.
    Das Gespann bog in den Garten der Villa ein. Es fuhr zwischen hohen Schneehaufen an der vorspringenden Ecke des einstöckigen Hauptgebäudes vorbei, um bei dem langen, ebenerdigen Flügel zu halten, der hinten und auf der Seite beinahe bis zum Graben des Szamos reichte. Hier befand sich die Wohnung des jungen Paares. Im einstöckigen Haus wohnte nur die alte Frau Uzdy mit Adriennes Töchterchen und der Nurse, doch sie hielt sich nicht mehr in Klausenburg auf. Sie hatte die Enkelin vor zehn Tagen nach Meran gebracht.
    Es war ein altes Haus, Ende des 18. Jahrhunderts erbaut. Der Flügel, wo Pali Uzdy und seine Frau wohnten, mochte einst der Gesindetrakt gewesen sein; er enthielt kleine Zimmer, vor denen sich ein Terrassenvorbau mit Mauerbögen hinzog, und auf diese Seite gingen auch die Fenster hinaus. Es gab im Bau einen einzigen großen Raum, den hintersten, von wo der Blick auf den Mühlegraben ging; dies war die einstige Küche, in der man früher sogar für hundert Personen gekocht haben mochte. Hier nun befand sich Adriennes Salon.
    Der Eingang lag in der Mitte des verglasten Vorbaus. Hier stieg die junge Frau aus, während die Kutsche wendete und zur Hauptstraße zurückfuhr, denn der Stall stand drüben auf dem benachbarten Grundstück. Als sie den Korridor betrat, warf sie einen Blick auf das Fenster linker Hand, das zum Schlafzimmer ihres Mannes gehörte. Das Fenster stand offen. Man lüftete. Dies überraschte sie, denn Pali Uzdy pflegte spät aufzustehen.
    »Wie denn? Ist er schon aufgestanden?«, fragte sie das Stubenmädchen, das hinter ihr den Blumenkorb trug. Es war eine kleine, leicht ergraute Frau, die sie schon in ihrer Kinderzeit bedient hatte. »Oder … oder ist er gar nicht zu Bett?«
    »Der gnädige Herr ist nicht zu Bett, er hat sich am frühen Morgen umgezogen und ist nach Almáskő gefahren.«
    Adrienne war nicht überrascht. Uzdy verschwand und tauchte stets ebenso unerwartet wieder auf. Er hielt sich deswegen eigens ein sogenanntes Postgespann, und zwar eines in der Stadt und ein weiteres Vierergespann nahe bei Szentmihálytelke, auf halbem Weg, wo er eine kleinere Meierei besaß. So konnte er die Pferde wechseln und ohne jede vorangehende Anordnung in einem Sprung auf seinem Gut erscheinen. Es lag in seiner Absicht, überall unerwartet anzukommen. Die Nachricht überraschte Adrienne nicht, schien sie aber zu erleichtern; sie richtete sich auf. Sie wandte sich nach rechts und schritt zur Salontür.
    »Stellen Sie die Blumen ins Wasser, Jolán«, sagte sie. »Bis fünf Uhr soll man mich nicht wecken, ich will schlafen.« Und da sie sich allein anzuziehen und zu entkleiden pflegte und es nicht mochte, wenn dabei Bedienstete zur Stelle waren, fügte sie hinzu: »Und ich brauche nichts.«
    »Ich serviere nur noch das Frühstück.«
    Glänzende Helle empfing sie im Salon.

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