Die Schrift in Flammen
pflegten sich dort jeden Abend zu vergnügen. Es begann nach elf Uhr. Péter hatte, wie schon einige Male zuvor, seinen Cousin gerufen, denn die erwarteten Frauen – zwei Tänzerinnen aus dem »Orpheum« – konnten erst nach Mitternacht erscheinen, nachdem sie sich abgeschminkt und umgezogen hatten; Musik tat bis zu der Stunde wohl, und niemand verstand es so gut wie »der brave Laci«, die Zigeunerkapelle zum Spiel anzuhalten und in Schwung zu bringen. Mehrere junge Männer leisteten Gesellschaft, sie gehörten zum Hof Zalamérys, denn Kristóf, bereits sein eigener Herr und dazu sehr vermögend, pflegte seine Freunde zu bewirten. Auch Wuelffenstein war dabei. Sie tranken viel Champagner und eine gehörige Portion Cognac aus ausladend bauchigen Gläsern. Tanz, paarweise und in Solonummern, folgte während Stunden nach der Ankunft der Mädchen, und es gab flatternde Röcke sowie viel Geplauder über Klatsch aus der Halbwelt.
Gerede dieser Art bereitete Gyerőffy eher Langeweile, denn er trat in diesem Kreis nur selten auf, sodass er kaum wusste, über wen und worüber man sprach, und außerdem kam er sich auch jetzt nebensächlich und zweitrangig vor, wie immer, wenn er sich in solcher Gesellschaft befand. Aus diesem Grund trank er hart, um sich zu betäuben. Irgendeinmal schaute er auf seine Uhr. Zwei Uhr war schon vorbei! Dabei besuchte er seit der Rückkehr von Simonvásár die Musikakademie überaus fleißig, und er tat dies nun nicht allein aus Ehrgeiz, sondern auch Kláras wegen, um ihrer würdig zu werden und sie zu verdienen. Um acht Uhr früh muss ich dort sein, dachte er, höchste Zeit, nach Hause zu gehen. Es war leicht, aus dem verdunkelten Extrazimmer zu entkommen, wo die Mädchen auf den Diwanen mit dem einen oder anderen Mann tuschelten und sich zurücklehnend räkelten.
Er musste den Hof durchqueren, um seinen Überzieher, den er im Treppenhaus abgelegt hatte, wieder abzuholen. Die kalte nächtliche Luft schlug ihm entgegen, als er ins Freie trat. Er spürte, dass er viel mehr getrunken hatte als ratsam, und suchte fester zu schreiten, um nicht zu torkeln. Nachdem er im Treppenhaus angelangt war, fragte er die Bediensteten in der Garderobe, ob eine der Mietskutschen des Casinos zur Verfügung stehe, denn zu Fuß wäre er auf dem Heimweg im Frühlingsregen klatschnass geworden.
»Im Augenblick ist keine da, sie sind fort, man hat sie gerade beansprucht«, meldete man ihm, »sie werden bald zurück sein.«
»Bis es so weit ist, sehe ich mich oben um. Lassen Sie mich wissen, wenn eine wieder da ist.«
Der erste Stock war leer. Die Stromzufuhr zu den Kronleuchtern hatte man gedrosselt. Er spazierte durch die dunklen Räume, und am oberen Ende des inwendigen Treppenhauses entdeckte er Licht. Hier, im Kartenzimmer, gab es also noch Leute. Gewiss saßen sie beim Bakkarat-Spiel. So ging er hinauf – nicht zum ersten Mal. Er war einige Male schon da gewesen und hatte dem Spiel ungerührt und gleichgültig zugeschaut, einzig darum, weil man sich unten über Politik unterhielt, die ihn nicht interessierte, oder über Pferderennen, die Landwirtschaft – lauter Themen, die ihm fernstanden. Eher sah er manchmal ein Stündchen dem Bakk zu.
Ein gewaltiges Spiel war im Gange. Wohl um die zehn Leute saßen um den runden Tisch. László wählte sich den Platz, wo er stehen blieb, gegenüber Neszti Szent-Györgyi. Er schaute diesem stilvollen Mann gern zu. Erneszt war ein Cousin zweiten Grades von Lászlós Onkel Antal. Er sah ihm auch ähnlich, er hatte dieselbe große, an einen Windhund gemahnende Gestalt, und von gleicher Art waren auch die dünne Nase und die grauen, frostig blickenden Augen; Neszti trug jedoch nicht einen kurzgeschnittenen, sondern einen leicht schwingenden, langen Schnurrbart, wie einst die blonden Gallier, bloß dass er bei ihm auf beiden Seiten schwarz zum Mund hinabreichte, was seinem Gesicht einen gewissen verächtlichen Zug verlieh. Er war sehr blass. Seine Haut wirkte oberhalb des bläulich rasierten Kinns überall auf gleiche Weise pergamentartig, dies vielleicht darum, weil er überwiegend ein Nachtleben führte; auf den Backen, der Stirn, auf seiner leuchtenden Glatze – stets dieselbe Farbe, wie wenn man gelblichen Marmor auf Glanz poliert hätte. Er war unverheiratet und Besitzer eines riesigen Vermögens. Dem Alter nach mochte er auf fünfzig zugehen, doch diese fünfzig Jahre waren wohl hundert wert, so gründlich hatte er jede Minute ausgenutzt und alles bis zur Neige
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