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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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genossen, was Vermögen, vornehmer Name, angenehmes Äußeres und vorzügliche Gesundheit zu bieten imstande sind. Er hatte in Indien Tiger gejagt, im Sudan Löwen erlegt, ritt – nicht nur zu Hause, sondern auch in England und Frankreich – hinter Meuten her, er besaß eine Yacht an der Riviera, und seine Pferde liefen auf allen Rennbahnen. Natürlich schwärmten die Frauen für ihn, aber keine band ihn je fest, obwohl er ihretwegen unzählige Duelle austrug. Gewiss betrachtete er auch dies bloß als Sport, als etwas, das zur bewegten Fülle des Lebens gehört; und da ihn nichts berührte und weder Leidenschaft noch Angst sein Herz schneller schlagen ließen, widerfuhr ihm nie ein Unglück. Auf seine Art war er vollkommen, als hätte die Gesellschaft des ausgehenden Jahrhunderts mit ihm ein Muster vorlegen wollen, das sichtbare Beispiel des Weltmanns.
    Er galt als eine richtende Instanz in allen Fragen, ob ein Benehmen »gentlemanlike« war. Sein kurzgefasster Urteilsspruch gab stets den Ausschlag. Manchmal vermochte er als Richter auch stumm ein Urteil zu fällen. In solcher Lage sprach sein Monokel für ihn. Denn bei ihm führte dieser gläserne Taler ein Leben für sich, als wäre er ein eigenes Organ. Er trug das Monokel an einer unsichtbaren dünnen Schnur, und wenn er es einsetzte, drückte er mit seiner Hilfe die verschiedensten Gefühle aus: humorvolle Überraschung, Spott oder Aufmerksamkeit, Komplimente, wenn er Frauen, Strenge, wenn er Männern gegenüberstand. Und auch die Art, wie er es aus dem Auge fallen ließ, war aussagekräftig und variantenreich; sie konnte »Die Sache ist für mich erledigt« oder aber »Du bist ein Esel, mein Freund« bedeuten sowie noch viel anderes, Verachtung oder Interesse, je nachdem, bei welchem Satz des Konversationspartners er das Glas unter der Augenbraue fallen ließ. Das Monokel war, wie das Zepter bei Königen, ein Symbol seiner gesellschaftlichen Macht.
    Weitere acht Leute saßen um den runden Bakk-Tisch, den eine scheibenförmige, von einem grünen Schirm bedeckte Lampe hell ausleuchtete: Ödön Illésváry, Dönci genannt, ein jüngerer Bruder des früheren Vortänzers; der kleingewachsene János Rozgonyi, berühmt als Züchter von Pferden für Trabrennen, sowie Zénó Arsenovics, ein Millionär aus der Batschka. Sie waren, zusammen mit Graf Neszti, die größten Spieler. Fünf weitere Herren neben ihnen spielten mit kleineren Einsätzen; sie nahmen an den fürchterlichen Schlachten, welche die ersten vier gleich mit Tausendern austrugen, nicht teil, sie setzten als Bankhalter bescheidenere Summen, doch ab und zu schlossen sie sich einer größeren Runde an.
    Gedeon Pray spielte mit den kleinsten Einsätzen. Da er keinerlei Vermögen besaß, nahm man ihm nicht übel, dass er jedes Mal, wenn das rundherum gehende Kartenspiel, die »taille«, zu ihm kam, nur einen Hundertkronen-Jeton vor sich hinlegte; auch hielt er allein gegen niemanden je mit, ging kein Risiko ein, es sei denn, dass er stark am Gewinnen war, während der andere mit einer grässlichen Pechsträhne zu kämpfen hatte. Geschah dies, dann blies er seine glattrasierten, pfäffisch runden Backen auf, schloss die ewig unruhigen Augen, als betete er, und meldete sich unerwartet zu Wort: »Bank!« Da ging es manchmal auch um größere Summen. Dies kam zwar selten vor, doch es war allgemein bekannt: Sagte Gedeon Pray »Bank!«, dann lohnte es sich kaum mehr, weitere Karten auszuteilen – alles war nur noch eine Formalität –, es stand fest, dass er gewinnen würde. Er galt als eine wahre Hyäne des Bakk-Spiels im Casino, doch zugleich als ein nützlicher Mann, weil er sich zum Spielen jederzeit überreden ließ. Zugleich brachte dies auch ihm selbst Nutzen, denn dank seiner Vorsicht und Geschicklichkeit kam er auf diesem Weg jährlich zu einer hübschen kleinen Einnahme.
    Zwischen Dönci Illésváry und dem zwerghaften Rozgonyi stand ein leerer Lehnstuhl. Gyerőffy zog ihn vom Tisch ein wenig zurück und setzte sich. Gleichgültig hörte er sich die ewig wiederkehrenden, stets gleichen Wörter an: »Ich teile aus«, »Kein Blatt«, »En cartes«, die Ansage der Einsätze und das Klirren der aus Perlmutt oder Elfenbein verfertigten Spielmarken. Banknoten kamen nie auf den Tisch. Die großen Spieler hatten ihre Depositen beim Butler, zu Lasten derer sie die Spieljetons auslösten. Jene wiederum, die über keine Depositen verfügten, unterschrieben Bons, da jedes Mitglied des Casinos bis zu fünftausend

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