Die Schrift in Flammen
Kronen kreditberechtigt war. Schulden allerdings hatte man innerhalb von achtundvierzig Stunden zu regeln.
László saß wort- und interesselos da. Er war auch hier, unter diesen Leuten, ein Fremder. Es tat dennoch gut, in Gesellschaft zu sein und ungestört dem Spiel zuzuschauen. Hier war es ihm wohler als unten. Dort im Séparée hatte er die Empfindung, zweitrangig zu sein, kein gleichberechtigter Gast, sondern ein Nutzbringer wie der Zigeunerprimas oder der Zimbalspieler. Früher hatte er derartiges mit einer gewissen Ergebenheit ertragen; seine Kindheit als Waise und seine Unbehaustheit hatten ihn darauf vorbereitet. Bisher hatte er in der Auffassung gelebt, dies sei sein Schicksal. Seitdem er aber in Simonvásár, dort im Gemach zwischen dem Türflügel und dem Schubladenkasten, Klára in den Armen gehalten hatte, hegte er andere Gefühle. Auflehnung regte sich heimlich in ihm, wenn man ihm mit herablassendem Wohlwollen begegnete, wenn man ihm, so wie an diesem Abend, sagte: »Komm auch du mit!« Oder wenn man ihn aufforderte, Violine zu spielen, wenn man ihm bedeutete, die Orpheum-Diven zum Tanzen zu animieren. Nein! Dieser gönnerhafte Ton war unerträglich, er konnte ihn nicht mehr hinnehmen! Das war seiner nicht würdig, unwürdig des Mannes, den Klára sich vor allen anderen erwählt, dem sie ihren Mund geschenkt hatte. Die Erinnerung an diesen Kuss – wie eine weiche, sonnenbeschienene Frucht, so voll, so warm waren die Lippen des Mädchen gewesen, beim Gedanken daran wurde ihm immer leicht schwindlig –, diese Erinnerung trug er im Herzen verschlossen, als bewahrte er insgeheim den größten Diamanten der Welt, der Zauberkraft besaß, doch auch Befehle erteilte und nicht duldete, dass der Inhaber dieses Schatzes nicht überall und in allem der Erste sein sollte. Nach dem Gelage jetzt, nachdem der übermäßige Cognac- und Champagnergenuss sein Blut in Wallung gebracht hatte, vernahm er hier das Rauschen dieses Befehls in sich selbst erst recht. Gelassen und scheinbar bescheiden saß er neben Illésváry, doch Trotz und Entschlossenheit gärten in seiner Brust.
Das Mahagoni-Schlittchen mit den Spielkarten war eben vor Zénó Arsenovics angelangt. Bevor er mit dem Verteilen begann, schob er den ganzen Haufen der vor ihm liegenden Fünfhundert- und Tausendkronen-Jetons über die weiße Linie, und dann sagte er: »Faites vos jeux!« Er blickte erwartungsvoll in die Runde und streckte die scharfe, gebogene Nase vor, die aus seiner Stirn jäh hervorsprang; dies hatte ihm den recht treffenden Übernamen »Schwarzer Kakadu« eingetragen, zumal auch sein rußfarbener Haarschopf sich über seiner Stirn wie ein Kamm erhob, sosehr er auch versuchte, ihn mit Pomade glattzustreichen.
Mit den großen Rosspflaumenaugen sah er sich um, ob man setzen werde. Er spielte auch für die Galerie und sogar besonders für sie. Die drei bis vier Kiebitze, die zu dieser späten Stunde auf hohen Stühlen hinter den Spielern saßen und entsetzt zuschauten, sie sollten sich nur wundern, diese anonymen Betrachter, von denen man nur die weiße Hemdbrust wahrnahm, während sich ihre Köpfe, von der Lampe nicht mehr beleuchtet, im Schatten und im Zigarrenrauch verloren. Arsenovics pflegte seinen Ruf, seinen Nimbus als großer Spieler. Aus diesem Grund akzeptierte er, so groß auch sein Einsatz sein mochte, niemals einen Partner, er teilte mit niemandem und retirierte nie. Das tat er aus Prinzip, dessen weise Theorie er den tief ergebenen Gaffern gelegentlich erklärte. Die Gesellschaft um den Tisch legte als Einsatz etwa zwölftausend aus. Der Bankhalter gewann die Partie mit einer Neun. »Vierundzwanzig die Bank!«, sagte Zénó, nachdem er den ursprünglichen Perlmutthaufen abgezogen und aus den vierundzwanzig länglichen Jetons zwei hübsche Mäuerchen aufgebaut hatte. Nun schob er sein Gesicht wieder vor, ins Licht, und mit der Zigarre zwischen den Zähnen fragte er: »Vierundzwanzig, wer will sie?« Vor Dönci Illésváry trauerte nur noch ein einziger Fünfhunderter. Er hatte bereits viel verloren. Also sagte er sich, er wolle damit sein Glück versuchen. Schaffte er es, dann könnte er in Ordnung kommen, wenn nicht, müsste er, wie schon so oft, ohnehin wieder Ede, seinen Bruder mit dem Fideikommiss, anpumpen. Folglich klopfte er auf den Tisch, was so viel bedeutete, dass er um die ganze Bank spielte. Zénó legte wieder neun vor. Dönci erbat sich vom Butler Papier und notierte die Summe. Die »Ponte« – so nannte man jene,
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