Die Schrift in Flammen
Lászlós blutsverwandte Tante ist, sie darf die eigene Herkunft nicht schmähen; und vor dem Vater, der kein Snob ist, kann sie mit solchen Montorio-Leuten und mit ihrer Wiener Ruhmsucht nicht herausrücken. Nein, das kann sie nicht. Sagen wird sie aber, ja, gewiss, dass sie warten, dass man warten soll, sich alles gut überlegen und vorläufig nichts entscheiden. Darum ist die Volljährigkeit willkommen, sie dient als Fluchtburg. Sie wird erklären, dass ihr Entschluss gefasst sei und sie ihn heiraten werde, sie habe ein Recht darauf. Sie bitte um ihren Segen, um nichts anderes. Und wenn sie ihn verweigern, dann heiratet sie ihn trotzdem. Schrecklich, schrecklich wird das sein, aber es geht eben nur so. »Wovon wollt ihr leben?« Papa wird das gewiss vorbringen und erklären, dass er keine Apanage gewähre. Die Antwort fällt leicht: Wir werden unser Leben auch ohne sie fristen. László hat ein Gut, und ich verkaufe den mir von der Mutter vererbten Schmuck. Das dürfte bei Papa vorzüglich ankommen. Der Verkauf würde ihn furchtbar schmerzen, wo er auf das Diamantenkollier und die Rubinknöpfe, auf alles, was er meiner armen Mutter geschenkt hat, so stolz ist. Zurückbehalten kann er aber den Schmuck nicht, obwohl er in seinem Tresor aufbewahrt wird, dazu ist er ein zu feiner Herr, und er hat auch so oft gesagt: All das gehört dir, ganz dir.
Das war es, was Klára aberhundertmal durchdachte. Am Ende der trockenen Überlegungen, bevor sie einschlief, schweiften ihre Vorstellungen immer zu László ab. Sie sah sein grazil geschnittenes Gesicht vor sich, seine zusammengewachsenen Brauen, die seinem Blick eine Rätselhaftigkeit verleihen konnten, sie malte sich seine schlanke Gestalt aus, die länglichen Klavierspielerfinger, seine Umarmung und seinen Kuss, wie damals im Gemach in Simonvásár. Das beschworene Bild wurde immer nebliger, doch umso bezaubernder. Ihre Hände irrten langsam und leicht ihren Körper entlang, sie glitten leise über ihre Brüste und Schenkel hinweg. All das wird ihm gehören, sie wird ihm all das zum Geschenk machen. Irgendeine erwartungsvolle Unruhe regte sich unter ihrer Haut, als sie ganz unbeweglich im blütenweißen Bett lag, und ihre Knochen schienen ihr hinzuschmelzen beim Gedanken an die Hingabe … Zuletzt sank sie endgültig in Schlaf.
Am Morgen, wenn sie erwachte, fand sie zumeist ihr Kopfkissen in den eigenen Armen, als drückte sie die Schulter des Jünglings an sich.
III.
Der Monat Mai begann ereignisreich. Dies sowohl gesellschaftlich – eine neue Ballsaison nahm in Zusammenhang mit den Frühlings-Pferderennen ihren Anfang – als auch in der Politik, weil das Abgeordnetenhaus wieder einberufen wurde. Tag für Tag fanden Sitzungen statt in der Angelegenheit der Adresse an den Herrscher, welche die nun über die Mehrheit gebietende Opposition dazu benutzte, das gestürzte Tisza-Regime zu brandmarken.
Heiße, kämpferische Stimmung herrschte, die sich in ihrer ganzen Schärfe gegen Wien richtete, und das siegreiche Selbstbewusstsein der Massen hatte immer noch Bestand. Einzig bei den Anführern meldeten sich allmählich Zweifel wegen der sich hinziehenden Regierungskrise, doch sie standen der mit patriotischen Sprüchen verhetzten öffentlichen Meinung ohnmächtig gegenüber. Der eine oder andere führende Mann versuchte, andere Wege einzuschlagen, was gewaltige Entrüstung nach sich zog. So etwa, als Polonyi während der parlamentarischen Pause in Wiener Zeitungen die militärpolitischen Errungenschaften für nebensächlich erklärt hatte. Beratungen folgten, ob er aus der Partei auszuschließen sei, doch der Mut dazu fehlte. All das erzeugte aber Spannungen und Argwohn zwischen den 67-ern und den 48-ern und ebenso zwischen kleineren Gruppen, die einander ständig beobachteten und Verrat witterten. So präsentierte sich die Lage, als Bálint Abády in der Hauptstadt ankam.
Er saß Tag für Tag im Parlament. Man beriet über den Entwurf zur Adresse an den König. Er hörte all der gehässigen Wortdrescherei zu, die an den ersten beiden Vormittagen vor sich ging, den vielen chauvinistischen Phrasen, mit denen die Redner einander überboten. Innerlich gab er unter ihrer Wirkung immer dem attackierten Tisza und dem greisen König recht. Die geheimen Wiener Pläne, über die Slawata berichtet hatte, veranlassten ihn zwar, sich dem Standpunkt der Opposition zu nähern, doch das, was er hier hörte, brachte ihn wieder dem gegenteiligen Standpunkt näher.
Es waren auch im
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