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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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solcher Gelegenheit pflegte sie die Pferde zu prüfen, Rechenschaft zu fordern, wenn ihr etwas verdächtig schien, sie tastete die Sehnen der Tiere ab und verfügte, wenn nötig, wie sie zu pflegen seien; das Personal im Stall wiederum unterhielt sie, die Leute erzählten, was ihnen begegnet war, ob sie Junghasen, Rebhühner oder Hirsche gesichtet hätten. Heute hatten sie auf solche Weise etwas viel Wichtigeres berichtet, nämlich dass sie bei der Au-Brücke Graf Bálint getroffen hätten und dass er sich nach der Aranyos-Furt erkundigt habe.
    Das also, der Gedanke an die Furt, ging Frau Róza durch den Sinn. Sie wusste, was das zu bedeuten hatte. Sie wusste, dass ihr Sohn seinerzeit als Student den Fluss dort zu überqueren pflegte, um bei der kleinen Dinóra Besuche zu machen. Dass er oft auch nachts ausgerissen war und den Weg dorthin genommen hatte, wusste sie ebenso. Gegenüber ihrem Sohn hatte sie dies damals mit keinem Wort erwähnt, insgeheim aber freute sie sich. In ihrem freudlosen Leben brachte es nämlich eine Wende, dass Bálint zum Mann herangereift war. Nicht dass sich ihre Auffassung geändert hätte, nach welcher sie die Frauen in zwei Kategorien einteilte: Es gab die anständigen – zu denen für sie nur diejenigen gehörten, die, wie sie selber, außer ihrem Gatten niemanden auch nur mit einem Blick streiften – und die anderen. Letztere bezeichnete sie als »jene Frauen«. Unter »jene Frauen« reihte sie alle ein, die von ihr abwichen. Unwählerisch zählte sie alle Möglichen zu dieser Gruppe: die leicht koketten Frauen, die mit den Männern bloß scherzten und sich aus Vergnügen den Hof machen ließen; Frauen, die mit einem einzigen Mann ein Liebesverhältnis unterhielten; die Leichtlebigen, die ihre Liebhaber fortwährend wechselten; ebenso die mondänen Kokotten und die Straßenmädchen. Sie, vom Leben so entfernt, fällte ohne jede Unterscheidung über alle das gleiche Urteil. Nicht dass sie sehr streng gewesen wäre oder sich gern empört hätte. Sie ließ Frauen dieser Art, die zur Gesellschaft gehörten, nie etwas spüren, empfing sie gern bei sich, sie sagte über sie weder etwas Schlechtes, noch verbreitete sie Klatsch, sondern nahm die Dinge so, dass »jene« eben andersgeartete Wesen von abweichender Natur seien. Sie waren, wie sie glaubte, so auf die Welt gekommen, sie konnten nichts dafür. Für schuldig hielt sie diese Frauen nicht, oh nein, bloß für verschieden. Sie betrachtete sie mit einem stillen, stummen Humor und schüttelte weder den Kopf, noch entsetzte sie sich im Geringsten, was man ihr auch immer erzählte. Und was sie auf solche Weise zu hören bekam, behielt sie für sich, sie gab es nie weiter. Sie tat, als wüsste sie von nichts.
    Damals aber, in Bálints Studentenzeit, als er mit der kleinen Dinóra ein Verhältnis einging, bekam all dies eine neue und persönliche Färbung. Zu dem bisher allgemeinen und nur humorvollen Lächeln gesellte sich nun ein Lächeln anderer Art. Es enthielt Stolz – Stolz auf den Erfolg ihres Sohns bei den Frauen. Irgendwie unbewusst brachte ihr dies Genugtuung für ihr abgeschlossenes Liebesleben, das beim Tod ihres Mannes endgültig zu Ende gegangen war. Als übte der Sohn auch für sie Rache, als lebte sie, in einen Jüngling verwandelt, in ihm weiter. Und da für die Gräfin Róza »jene Frauen«, die sich, wie sie sich in Gedanken sagte, einen Hofmacher hielten, ganz andersgeartete Wesen waren, machte sie sich um den Sohn nie Sorgen, und es fiel ihr nicht einmal ein, dass er sich in eine von »jenen« auch verlieben könnte; ihr kam alles nur vor wie ein Sieg im Sport, als hätte Bálint ein Pferderennen oder ein internationales Tennismatch gewonnen. Dies hatte mit Dinóra begonnen und sich während der Diplomatenjahre des Sohnes fortgesetzt. Während seines Urlaubs, den er in Dénestornya verbrachte, kamen aus Wien und später aus dem Ausland immer wieder Briefe von Frauenhand, was Frau Abády, welche die Posttasche selber zu öffnen pflegte, stets Freude bereitete. Gespräche lenkte sie vorsichtig so, dass Bálint über die Gesellschaft berichten sollte, die er auf seinem jeweiligen Posten frequentierte, und sie bat ihn, über Frauen zu erzählen – »Wer ist schön? Wer schöner? Wen besucht er öfter?« –, und sie suchte sich unter den vielen Namen und Angaben zurechtzufinden und zu ergründen, welche Frau die violetten und welche die blassblauen Briefe schrieb. Und es bereitete ihr große Freude, wenn sie manchmal die

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