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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Adresse auf den Antwortbriefen ihres Sohns zu lesen bekam. Dies gelang indes nur sehr selten. Sie wollte nicht einmal sich selber gestehen, dass sie danach strebte, und ihre ganze Schläue erschöpfte sich darin, dass sie einem Diener gleichsam zufällig die Bemerkung hinwarf: »Wenn Graf Bálint dich zur Post schicken sollte, so habe auch ich einen Brief mitzugeben …« Zumeist aber kam es so, dass sich der Bursche zuerst bei ihr einstellte, oder aber Bálints Brief hatte einen Mann zum Adressaten, sodass ihr ganzes Manöver vergeblich war. Hatte sie es aber geschafft, einen Namen zu entdecken, dann drehte sie die Wörter in der Konversation so lange, bis dieser Name vorkam, und dann stand es ihr frei, nach Einzelheiten, nach dem Alter, dem Aussehen und den Lebensumständen der Frau zu fragen – freilich mit größter Vorsicht.
    Die an vielen Tagen allmählich gesammelten Angaben stellte sie dann wie ein Mosaik zusammen, und wenn sich das Bild gerundet hatte, legte sie es mit Befriedigung ab, als führte sie ein Inventar über Bálints Erfolge bei Frauen. Sie meinte, dass von ihrer unschuldigen Neugier niemand etwas wisse. Bálint wusste tatsächlich nichts. Anders aber verhielt es sich mit Frau Baczó und Frau Tóthy, dies vielleicht darum, weil Gräfin Róza ihnen gegenüber auf die eigenen Worte weniger achtete. Sie kannten ihre Schwäche, dass sie von solchen Dingen gern hörte, obwohl sie die beiden niemals danach fragte. Sie waren aber draufgekommen, denn sie hielten sich Tag für Tag in ihrer Umgebung auf und beobachteten sie wachsam. Seit dem Fasching hatten sie darum – so nebenbei, mit hingeworfenen Sätzen – oft gemeldet, dass Bálint Adrienne zu besuchen pflege. Dass er beinahe jeden Tag den Nachmittag bei ihr verbringe. Bis zu vorgerückter Stunde. In den Abend hinein. Dass sie erst spät Licht machten und lange im Dunkeln säßen. Sie hatten verzwickte Domestikenbeziehungen ausfindig gemacht und mit Kompottrezepten und Pastetengeheimnissen die Köchin der Uzdys umgarnt, da sich Adriennes treues Dienstmädchen nicht willig gezeigt hatte.
    Das Vernommene erzählten sie – gewöhnlich nach dem Mittagsmahl beim schwarzen Kaffee – stückweise weiter. Natürlich waren es lauter Äußerlichkeiten. Aber schlimme Dinge. Dass Adrienne am Abend Schlittschuh zu laufen pflege und nicht über Mittag wie die anderen ordentlichen Damen, dass sie keinen Csárdás tanze, dass sie die Gewohnheit habe, im Friedhof Spaziergänge zu machen, und dass sie – dies war das Schrecklichste! – zu Hause gern auf dem Boden sitze. »Oh, meine Liebe, wie die Zigeunerinnen im Zelt, oh!« Dergleichen sagten sie, als unterhielten sie sich nur untereinander, und dazu entrüsteten sie sich mit Gusto. Sie schüttelten den Kopf, und nach der einen oder anderen Feststellung wechselten sie bei der Strickarbeit die langen Nadeln, als gelte es, damit in eine Frau von so schlechtem Lebenswandel hineinzustechen.
    Das Bild, das Frau Abády auf solche Art von Adrienne gewann, nahm sich in der Tat ziemlich beunruhigend aus. Sie schien unter »jenen« die Verwerflichste zu sein. Es bekümmerte sie darum anfänglich ein wenig, dass sich Bálint um Adrienne bemühte. Vielleicht raunte ihr auch der Mutterinstinkt zu, dass dies nun ernsthafter werden könnte als die anderen Frauengeschichten des Sohns. Daher ihre Freude, als sie hörte, dass Bálint nach der Furt gefragt hatte, über die der Weg nach Marosszilvás führte; daher auch ihre Anordnung, dass man gleich eine andere Furt suchen und am Steilufer auf der anderen Seite einen Aufgang graben sollte. »Gut so. Denkt er auch an Dinóra, und will er bei ihr Besuche machen, dann droht keine Gefahr …«
    Bálint aß gierig sein Frühstück. Die Mutter beobachtete ihn still. Endlich meldete sie sich schlau zu Wort: »Dein guter Appetit freut mich. Schön zu sehen, wie es dir schmeckt.«
    »Mmm«, ließ sich Bálint vernehmen, ein großes Stück mit Honig bestrichenes Butterbrot im Mund; erst nachdem er alles hinuntergeschluckt hatte, vermochte er fortzufahren: »Ich habe schon einen weiten Spaziergang hinter mir.« Und dann nahm er das nächste Stück Brot und biss zu.
    »So?«, verstellte sich die Mutter. »Du warst schon draußen? Wie weit, wo?«
    »Schon bei Morgengrauen. Ich wollte nur bis zur großen Allee hinab, aber es war so schön, dass ich weiter und weiter gegangen bin bis zum freien Arm des Aranyos.«
    »Wo? Durch die Fuchswiese oder durch das Csiperkés?«
    »Weder noch. Ich habe

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