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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Ecke des Ackers, stand noch der alte Lindenbaum, an den er einst sein Pferd zu binden pflegte, als er hier seine geheimen nächtlichen Besuche machte. Von dort schlich er sich durch den Garten zu Dinóras Fenster, das ziemlich weit oben lag. Er musste sich am Sims festhalten und sich vom Randstein des Fundaments mit Klimmzügen hocharbeiten, um einsteigen zu können. Seine Kleider, entsann sich Bálint lächelnd, wurden jedes Mal von Kalk verschmiert. Doch etwas anderes als dieses milde Lächeln bewirkte die Erinnerung nicht.
    Je mehr sie sich näherten, desto weniger Lust empfand er, bei den Abonyis einzukehren. Es war früh. Sie hatten die Strecke rasch geschafft. Die Pferde waren noch frisch. Es ging erst auf halb eins zu. Es schien klüger, weiterzuziehen. Mittagessen, schwarzer Kaffee, nötigender Zuspruch der Gastgeber, doch länger zu bleiben – dies wären die Folgen, sollte er seinen Besuch machen. Er käme erst am späten Nachmittag in Lélbánya an, wenn sich nichts mehr erledigen ließe. Sodann war für die Pferde zu sorgen, für einen Stall, für sauberes Heu und Stroh. Auch das würde Zeit in Anspruch nehmen. Richtig! Es war gescheiter, den Hinweg in einem Stück zurückzulegen und dann bei der Rückkehr … dann wird er beliebig lang hier verweilen können.
    Er fiel mit seinem Pferd in Trab. Linker Hand standen die Häuser im Dorf, wo er nun anlangte, rechts verlief eine hohe, ziemlich lange Steinmauer. Zuoberst eine von wilden Trauben umrankte Laube – Dinóra und er hatten sich damals hier so oft geküsst! Er glaubte fast, hinter dem dichten Laub das Leuchten eines weißen Frauenkleids wahrzunehmen. Ob sie womöglich auch jetzt dort saß? Schnell! Sie sollte ihn nicht bemerken. Er beschleunigte den Trab, und ohne nach rechts oder links zu blicken, ritt er rasch auf dem Gehweg unter der Mauer vorbei, damit man ihn von oben nicht erkennen konnte; erst als er das Dorf ein gutes Stück hinter sich hatte, drosselte er das Tempo.

    Jenseits von Marosludas erhob sich ein langgestreckter, steiler Berg. Auf seinem Kamm begannen mehrere schmale Feldwege, von denen einer in das Bergwerksstädtchen führte. Wer auf der Siebenbürger Heide mit dem Pferd oder zu Fuß unterwegs ist, folgt immer den Bergrücken, so lässt sich alles auf viel kürzerem Weg erreichen als kurvenreiche Täler entlang. Bálint und sein Begleiter stiegen hangaufwärts und führten die Pferde am Zügel. Ein Wanderer näherte sich auf einem der Feldwege von links auf dem Bergkamm. Seine gedrungene Gestalt, wie sie sich in städtischer Kleidung vor dem Himmel dunkel abzeichnete, sahen sie schon von weitem. Der Mann schleppte sich langsam, müde vorwärts. Er mochte von weither gekommen sein.
    Oben auf dem Grat angelangt, blieb Bálint eine Weile stehen, um die sich darbietende Landschaft zu bewundern. Sie war in der Tat ergreifend schön. Die breiten Kurven des Maros zeigten sich so klar wie auf einer Landkarte; am jenseitigen Ufer zogen sich sanfte, bewaldete Hügel in endlosen Reihen hin, während auf dieser Seite lehmige Erdrutsche das Berggelände so steil und mauerartig geformt hatten, als stünden dort lauter gelbe Felsen. Als er sich zurück zu den Pferden begab, erreichte der Wanderer gerade den Straßenrand.
    »Hei ho! Hei! Halt da!«, rief er Abády zu, der eben das Pferd besteigen wollte. Bálint wandte sich verwundert ihm zu.
    »Erkennen Sie mich nicht? Ich bin András Jópál!«, sagte der Wanderer. »Oder wollen Sie es etwa nicht?«
    Es fiel tatsächlich schwer, den Mann zu erkennen, der im vergangenen Sommer Erzieher der Laczók-Jungen gewesen war. Ein mehrtägiger, schwarzer Stoppelbart bedeckte seine Wangen. Abgerissene Kleider hingen an ihm, und über der Sohle seines Bergschuhs gähnte ein Loch, aus dem seine Zehen hervorlugten. Sein Gesicht mit den breiten Backenknochen und dem eckigen Kiefer wirkte indessen dermaßen eigenartig, der fanatische Blick derart charakteristisch, dass Bálint ihn auch ohne Nennung des Namens erkannt hätte. Seine erste Regung hieß ihn, dem anderen die Hand zu reichen, doch dann entsann er sich der beleidigenden Worte, die dieser ihm aus der Ferne nachgerufen hatte, als er letztes Jahr im September aus dem Haus des alten Minya Gál gegangen war. So hatte er sein wohlwollendes Angebot gelohnt, ihm in der Sache seiner Erfindung, des Jópál-Flugzeugs, Hilfe zu gewähren. Darum also fragte er nun frostig: »Womit kann ich dienen?«
    »Ich wollte zu Ihnen nach Dénestornya, Herr Graf. Gut, dass

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