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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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verließ die Straße und entfernte sich zügig in die Richtung des Maros; auf irgendeinem Ziegenpfad stieg er zum Fluss hinunter und verschwand zwischen den Schluchten.

    Die Reiter setzten ihre Reise ins Innere der Siebenbürger Heide auf einem weichen Feldweg fort, der einen Grat entlangführte, aus dem nur hier und dort eine kleine Kuppe herausragte. Die Landschaft öffnete sich um sie herum immer weiter, wie sie der Kante folgten; zahllose Bergrücken lagen hintereinander, und sie selber waren winzige Liliputaner auf einem erstarrten Wellenkamm in diesem Meer der Riesen. Die Luft hier oben war rein und trocken. In großer Weite im Norden eine wolkengraue Bergkette: die Höhenzüge von Bistritz, als läge dort das entfernte Ufer des regungslosen Ozeans; und dort, ein wenig gegen links, eine weiß glänzende dreifache Spitze, der Cibles-Gipfel, auf den während der jüngsten Regenzeit frischer Schnee gefallen war.
    Doch hier wandte sich die Straße einwärts, Lélbánya kam bereits in Sicht. Gleich unterhalb des Höhenwegs lag es in einer mageren Einbuchtung von Hügeln, eingeklemmt zwischen Lehmhängen, auf denen Salzpflanzen wuchsen; noch weiter unten breitete sich dunkel der See aus. Er war beinahe überall von Schilf bedeckt, dazwischen gab es nur die eine oder andere kleine, freie Wasserfläche. An solchen Stellen führten Biber und Wildenten ihren noch nestwarmen Nachwuchs aus – kleine flitzende Punkte vor noch kleineren Pünktchen.

    Nachdem Bálint die Pferde beim Gasthaus im Kuhstall des Wirts untergebracht hatte, besuchte er die Kreditgenossenschaft, deren Sitz sich noch im Stadthaus befand; er sah sich die Geschäftsbücher an, beriet sich mit dem Kassier – dieser, Tobiás Batta, ein pensionierter Bahnbeamter, war ein Mann sehr guten Willens –, und mit ihm und dem Notar begab er sich hinauf zum Abády-Herrenhaus, das Ázbej, um Bálints Gunst bemüht, hatte renovieren lassen; so sollte die Genossenschaft nun hierher umziehen, da es auf friedlichem Weg gelungen war, zwei Räume freizumachen.
    Am Abend aß er im Gasthaus. Später stellten sich die Notabeln des Feldstädtchens ein zu einer Runde mit Gespritztem. Zahlreiche Leute versammelten sich um ihn. Der Bürgermeister, der Notar, der Kreisarzt und der Apotheker waren dabei, die beiden Priester und alle, die in Lélbánya einen Gehrock trugen. Ja selbst der alte Herr Balázs Börcsey war gekommen. Und das wollte etwas bedeuten. Denn Herr Börcsey pflegte sich, wie sein Ausdruck lautete, nicht »zu den Leuten da zu gesellen«, war er doch aus dem Geschlecht der Kis- und Nagybörcsei Börcseys hervorgegangen. Der Träger eines solchen Namens könne nun einmal nicht mit jedermann Freundschaft pflegen. Der alte Mann besaß kaum etwas, benahm sich aber umso hochmütiger. Sein Herrensitz stand auf der kahlen Kuppe des Bergs gegenüber, es war eine zerfallende Lehmhütte, umgeben von drei bis vier Pflaumenbäumen sowie einem alten Wildbirnbaum. Darunter gab es eine zehn bis zwölf Joch umfassende magere Ziegenweide. Dort lebte der Alte allein; er hatte nicht einmal einen Diener. Umgang pflegte er mit niemandem. Er war auch unverheiratet geblieben – vielleicht weil er keine Frau gefunden hatte, die seines Namens würdig gewesen wäre.
    Er lebte in furchtbarem Elend. In Lélbánya schuldete er jedermann Geld, dem Kleinkrämer und dem Wirt, dem Metzger und dem Müller, dem Schneider und dem Schuhmacher. Schulden hatte er auch beim Bürgermeister und dem Apotheker, von denen er von Zeit zu Zeit kleine Darlehen zu erbitten und natürlich niemals zurückzuzahlen pflegte. Die Gläubiger freilich sahen ihm alles nach, so sehr verehrten sie ihn. An größeren Festtagen ließen sie ihm vielmehr Geschenke zukommen: einen Sack Maismehl, ein Lamm oder ein Ferkel, im Sommer Obst oder Grünzeug, im Winter Kohl und einige Fläschchen Pflaumenschnaps. Er genoss Hochachtung.
    Da der alte Mann das Erhaltene für ihm zustehende Abgaben, sich selber aber für ein höheres Wesen hielt, wirkte sich die Kraft dieser Überzeugung auf jedermann aus, und die Leute glaubten, ihm dies alles zu schulden. Man wollte wissen, dass der Alte im Jahr 1848 zur Einheit der »Rotmützen« gehört habe, obwohl er es als wertlos erachtete, darüber etwas zu erzählen. Wozu sollte er berichten? Es reichte schließlich, wenn jemand Kis- und Nagybörcsei Börcsey hieß!
    Auch der greise Honvéd-Soldat war also vom Berg herabgestiegen, und großes Rumoren entstand bei seinem Erscheinen, alle

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