Die Schrift in Flammen
ich Sie früher antreffe.«
»Zu mir?«, wunderte sich Bálint.
»Ja. Weil ich Ihnen etwas schuldig bin, und so wollte ich auch diese Schuld noch begleichen wie alle anderen.«
»Was für eine Schuld?«
»Ich habe Sie beleidigt, mein Herr. Dumm. Ich habe es erst später eingesehen. Nun will ich nicht, dass Sie solche Erinnerungen an mich bewahren. Darum also. Ich wollte Sie um Verzeihung bitten, Herr Graf. Jetzt tue ich’s, ich bitte Sie um Verzeihung …«
»Ist nicht der Rede wert«, antwortete Bálint und reichte András Jópál die Hand. Und um zu beweisen, dass er ihm nichts mehr nachtrug, wandte er sich an den Pferdeburschen: »Gib den Proviant aus der Satteltasche her, und iss selber auch etwas«, und dann an Jópál: »Setzen wir uns ein wenig.« Sie gingen zum Graben am Straßenrand und ließen sich nebeneinander am grasbewachsenen Abhang nieder.
»Halten Sie mit«, sagte Abády und legte Speck, Salami und Brot, die er aus der Fettpapier-Verpackung herausgeschält hatte, vor den Wanderer hin.
»Danke«, sagte dieser.
Sie sprachen nun den Speisen zu, während einiger Minuten fiel kein Wort. Bálint fragte dann, um die Stille zu brechen: »Wie geht es Ihrem Onkel, dem alten Gál?«
»Der Arme ist vor etwa drei Wochen gestorben.«
»Ach, das tut mir sehr leid. Hätte ich es gewusst, wäre ich zu seiner Beerdigung hingefahren.«
»Der Alte hatte verfügt, dass es keinerlei Klamauk geben soll.«
»Ein großer Verlust für Sie, nicht wahr?«, fragte Bálint, während er teilnahmsvoll auf den Mann neben sich, auf dessen zerschlissene Kleidung und durchgelaufene Schuhe schaute.
»Das verschlägt bei mir nicht mehr. Ich bin am Ende.« Auf Abádys fragenden Blick hin bekam er plötzlich einen Wutanfall. »Haben Sie davon nichts gehört? Ist das so bedeutungslos? Santos-Dumont ist jetzt im April in Paris im Park des Schlosses Bagatelle zu einem Flug aufgestiegen. Zu einem Flug, ja, mit meiner Maschine! Genau mit meiner Maschine! Es war dieselbe oder fast dieselbe. Und damit ist es mit meiner ganzen Arbeit zu Ende, alles ist zu Ende, dem ich mein Leben geweiht habe. Ich hätte damit hervortreten können, wenn ich für den Motor und das Material das Geld gehabt hätte! Ich war schon im Herbst fertig, ich hätte früher, vor allen anderen fliegen können, der Ruf, der Ruhm und der Große Preis, um den jetzt Santos und die Gebrüder Wright prozessieren, alles wäre mein gewesen, mein!«
Bálint entsann sich nun, in einer Nummer der französischen Illustrée eine Fotografie gesehen zu haben: Santos-Dumont war einige Meter hochgestiegen und zwei- bis dreihundert Meter weit geflogen. Tatsächlich! Damit war das Problem der Fliegerei gelöst. Jetzt kränkte er sich, dass ihm damals weder der Siebenbürger Erfinder noch seine in Minya Gáls Hof gegebenen Erklärungen über Statik eingefallen waren. Er fühlte tiefes Mitleid mit ihm.
»Wäre ich nicht so dumm gewesen! Hätte ich damals Ihr Angebot angenommen, Herr Graf …« Jópáls Gesicht verzerrte sich. Seine Lippen öffneten sich über dem breiten Gebiss, die Augen, um die sich Runzeln bildeten, verengten sich. Vielleicht war er dem Weinen nahe. Doch dann richtete er sich auf. »Wäre mein Onkel früher gestorben, dann hätte ich das wenige Geld schon damals im Herbst geerbt und es damit vielleicht schaffen können!« Er ballte die Faust und schlug sich damit aufs Knie. »Aber wozu? … Wozu?«, rief er und setzte seine Rede bitter lachend fort: »So habe ich daraus meine Schulden bezahlt, alles bis zum letzten Kreuzer, all das, was ich wegen meiner Erfindung zusammengebettelt hatte. Sie, Herr Graf, waren noch übrig geblieben, das habe ich nun auch in Ordnung gebracht, jetzt kann ich gehen.«
Er lachte nochmals, klappte dann sein Taschenmesser zu, steckte es sich in die Tasche und stand auf.
Bálint blieb sitzen.
»Gehen Sie noch nicht. Mit Ihren Fähigkeiten soll man nicht verzweifeln, denn es gibt zweifellos noch viele Probleme, die der Lösung harren und bei denen Sie zum Zug kommen können, bei denen noch viele …«
Jópál winkte mit einer ungestümen Gebärde ab.
»Ich brauche nichts!«, sagte er. »Gott mit Ihnen!« Er wandte sich dem abschüssigen Berghang zu und zog los. Nach etwa zwanzig Schritten blieb er jedoch stehen und rief dem zurückgebliebenen Abády zu: »Die Geige! Mein Onkel hat sie Ihnen vermacht, Herr Graf! Holen Sie sie im Haus, das Mädchen Boris bewahrt sie. Sie gibt sie Ihnen heraus!«
Hernach schritt er rasch fort. Er
Weitere Kostenlose Bücher