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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Liebste, du kannst wahrhaftig sagen, dass du, wo du auch bist, wie eine Königin immer auf dem Thron sitzt.«
    Da hielt nun niemand mehr an sich. Schallendes Gelächter brach aus. Es ergoss sich über die ganze Gesellschaft. Adelmas Tochter, Dodó, das junge Abbild ihrer Mutter, schloss sich nach kurzem Zögern den Lachenden an, Gleiches tat ihr Nachbar, Baron Wickwitz, ja selbst Frau Gyalakuthy, die gutmütig und nicht eitel war. Am lautesten aber wieherten die unerzogenen Laczók-Lümmel, so sehr, dass sich einer der beiden auf sein Gedeck fallen ließ, während der andere sich krümmte und unter dem Tisch verschwand.
    Nur einer blieb ernst: ihr Erzieher. Steif saß er zwischen den zwei außer Rand und Band geratenen Flegeln, den schwarzen Franz-Joseph-Mantel bis zum Kinn zugeknöpft, mit unbeweglichem Gesicht, als wäre es aus Holz geschnitzt.
    Abody auf der anderen Seite fiel dieser unbeteiligte Ernst auf. Er betrachtete den jungen Mann eingehender, und ihm schien, er sei diesem harten Antlitz irgendwo schon begegnet: eine platte Nase zwischen herausstehenden Backenknochen; stechende schwarze Augen, die sich ein wenig nach Mongolenart krümmten. Das eher fleischige Gesicht wurde von einem riesigen Schädel umrahmt, dessen Wölbung umso mehr zur Geltung kam, als der Mann ganz kurzgeschoren war, sodass sich jede Knochennaht grau abzeichnete, wie bei einem anatomischen Muster.
    »Wo habe ich dieses Gesicht schon gesehen?«, sinnierte Bálint, und als das stürmische Gelächter nachließ, wandte er sich zu Idus Laczók, seiner Nachbarin: »Wer ist dieser Lehrer dort zwischen Ihren Brüdern?«
    »Oh! Papa hat ihn nur für den Sommer angestellt, damit er die Buben auf die Nachprüfung vorbereitet. Die Nichtsnutze! Beide sind in Rechnen durchgefallen. András Jópál heißt er, soll ein guter Mathematiker sein, hat aber seine Studien nicht abgeschlossen …« Das Mädchen lächelte nun leicht und fuhr in vertraulichem Ton fort: »Wissen Sie, er ist ein wenig verrückt. Stellen Sie sich vor, er will das Flugzeug erfinden!« Und sie lachte leise.
    Bálint erinnerte sich nun. Sie waren sich während seiner Universitätszeit in Klausenburg begegnet, damals, als er in seinem dritten, prüfungsfreien Juristenjahr das allen zugängliche Seminar besuchte, in dem Professor Martin höhere Mathematik vortrug. Von dort kannte er András Jópál. Er war der fachlich stärkste Student. Sie unterhielten sich auch ein paar Mal; er hatte interessante Ideen.

    Doch nun brachten die Diener den ersten Gang. Der alte János Kádár hielt die größte Schüssel, aus der zwei dicke Hechte mit ihren weißgekochten Augen starrten. Er trug die Speisen rund um den Tisch, schnaufte laut und warf den drei ausgeliehenen Lakaien, die mit dem Anbieten an anderen Stellen des Tisches begonnen hatten, böse Blicke zu, ja manchmal machte er ihnen sogar Zeichen mit dem Kinn. Hinter jedem Leihdiener stapfte ein Stubenmädchen, die Sauciere in der Hand, während Kádár der Hausbursche, Ferkó, folgte.
    Die Hausfrau, welche bisher stumm den Service beobachtet hatte, wandte sich nun an den Obergespan, ihren Tischnachbarn. »Man kann getrost davon nehmen, es gibt darin keine einzige Gräte«, erklärte sie mit Nachdruck.
    Diesen Spruch wiederholte sie immer, wenn sie ihren Gästen gekochten Hecht vorsetzte. Hecht gab es aber immer, sofern es ihr gelang, diesen Fisch zu kaufen. Den größten Stolz ihrer Hausfrauenseele bildete nämlich das Küchengeheimnis: Wie lässt sich der schmackhafteste, aber auch grätigste Fisch so zubereiten, dass er scheinbar unversehrt, mitsamt Haut und Flossen in die Schüssel kommt, sich aber darin doch keine einzige Gräte findet. Ein überraschendes Problem, in der Tat, denn Hechtgräten sind gabelförmig und böse. Und nun gab es also darin keine einzige – eine beachtliche Leistung.
    Der Obergespan wunderte sich gebührend, und auch die älteren Damen griffen das Thema auf, indem sie feststellten, dies sei eine ganz und gar unlösbare Aufgabe, was der Hausfrau überaus wohltat. Nachdem man die Teller nach dem ersten Gang unter einigem Geklapper gewechselt hatte, kam der zweite, der gewohnte Höhepunkt der Siebenbürger Festmähler, der kalte Richelieu-Truthahn: zwei Vögel mit gewaltig gewölbtem, prallem Bruststück, die allerlei Kleingeschnittenes bargen, wahre Raritäten selbst unter den Leckerbissen.
    Und die Gäste sprachen den Speisen herzhaft zu. Es störte sie nicht, dass jetzt auch eine Zigeunerkappelle Einzug in den

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