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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Bihar.«
    »Er hat Augen wie ein Kalb.«
    Adrienne lachte leise über die Bemerkung. »Oh, was soll’s! Die Intelligenz, glaube ich, tut ihm nicht gerade weh …«
    Jetzt indessen durchbrach ein schriller Glockenton die Stille der Umgebung. Er tönte vom Schlosshof herüber. Kling-klang, kling-klang, wiederholte die Glocke rhythmisch. Sie verkündete das nahende Mahl. Sie kehrten um.
    Bálint und László entfernten sich im Laufschritt, da sie sich noch umziehen und in einer halben Stunde bereitstehen mussten. Die anderen spazierten gemütlich zurück, dem Hause zu …

    1 Wickwitz – bikfic, Wortspiel; »bikfic« bedeutet »Tropf«, »Tölpel« (Anmerkung des Übersetzers)

III.
    Im Großen Saal, der sich im Obergeschoss befand und das ganze Gebäude entzweischnitt, hatte man einen riesigen Tisch gedeckt. Etwa vierzig Leute saßen darum herum. Die Hausfrau hatte ihren Platz auf der Seite des kupferbedeckten Erkers, der Hausherr weit weg, bei der Tür zum Balkon, der zum äußeren Hof hinausging. Die Bejahrten unter den Gästen hatte man nach Alter und Rang gesetzt. Es gab nur eine Ausnahme. Der Obergespan saß zur Rechten von Frau Laczók, somit auf dem ersten Platz. Obwohl der alte Kajsza Geheimrat und auch viel älter war, hatte man ihn links plaziert. Aber das war richtig so. Péter Kis, der Obergespan, gehörte nicht zu den Hiesigen, und man bezeigte ihm besondere Ehre, betonte damit aber, dass er von außen kam.
    Der Obergespan selber ahnte natürlich den Grund der Auszeichnung nicht, und er fühlte eine tiefe Dankbarkeit, die auch dem Faktum galt, dass man unter allen politisierenden Leuten am Nachmittag ihn allein zurückgehalten und zum Mahl am Namenstag der Hausherrin eingeladen hatte. Dies tat seiner Eitelkeit unendlich wohl. Er nahm sich denn auch vor, einen glänzenden Toast auszubringen, um die Magnaten sehen zu lassen, wozu er fähig sei. Und so dachte er jetzt darüber nach, mit welchem Geistesblitz er »Ida«, den Taufnamen der Hausherrin, verbinden und welches Wortspiel er daraus fabrizieren könnte. Dies war der Grund, weshalb er schweigsam dasaß und vor sich hin starrte.
    Nach ihm folgte an der Tafel die alte Jungfer, die Schwester des Hausherrn, in dünner Ausgabe glich sie aufs Haar ihrem dicken Bruder, neben ihr dann Jóska Kendy, der sich die Stummelpfeife für die Zeit des Mahls in die Tasche gesteckt hatte, sowie Idus Laczók und Abády. An der Seite Kajszas war der Platz der hübschen kleinen Dinóra, dann kamen Onkel Ambrus und Adrienne. Das hatte sich Frau Laczók so ausgedacht; die jungen Frauen, so meinte sie, sollten ihre Freude haben, denn sie hielt Onkel Ambrus für den entzückendsten Mann der Welt.
    Hernach setzte sich die Reihe auf beiden Seiten des Tisches mit der Jugend fort, es waren abwechselnd ledige Mädchen und Herren, kreuz und quer, wie es ihnen beliebte. Einzig in der genauen Mitte, mit dem größten Abstand zu den Hauptplätzen an den beiden Tischenden, hatte man drei Gedecke reserviert, zwei Plätze für die halbwüchsigen Laczók-Jungen und dazwischen einen Stuhl für ihren Hauslehrer. Dann setzte sich die Reihe der älteren Gäste fort, hinauf bis zum Hausherrn, neben dem auf der einen Seite Tante Lizinka saß und auf der anderen die korpulente verwitwete Frau Gyalakuthy, die reiche Adelma.
    Dieses Tischende wirkte aus der Ferne wie gekippt, denn von der winzigen, zusammengeschrumpften Tante Lizinka war über ihrem Teller nur der Kopf sichtbar, während die Witwe ihr gegenüber, obwohl stehend nur mittelgroß, sitzend die Nachbarn, Jenő Laczók und Tihamér Abonyi, um einen ganzen Kopf überragte. Die allgegenwärtigen Augen der Hausherrin bemerkten dies. Sie meinte, ein Versehen sei passiert. Sie rief darum zum anderen Ende der Tafel hinüber: »Jenő! Tausche den Stuhl mit Adelma, ich weiß nicht, warum man ihr einen höheren gegeben hat als den anderen.«
    Die Witwe sträubte sich: »Ich sitze da ganz gut«, doch die sorgsame Hausfrau gab nicht nach: »Das kann so nicht bleiben! Schnell, wechselt den Stuhl!«
    Tihamér Abonyi, der andere Tischnachbar der Witwe, sprang opferbereit auf und bot ihr seinen Stuhl an, nachdem der Hausherr bloß einen Blick seitwärts getan und sich nicht gerührt hatte.
    Adelma erhob sich unwillig, und sie tauschten die Stühle. Doch als sie sich wieder setzte, war sie ebenso groß wie zuvor. Betretene Stille folgte. Hier und dort hüstelte man gekünstelt. Und da ertönte Tante Lizinkas böse, schrille Stimme: »Adelma, meine

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