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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Saal hielt. Die Zigeuner schlichen auf Zehenspitzen einzeln der Wand nach zur Balkontür. Auch der, welcher das Zimbal schleppte, schaffte es irgendwie; obwohl er zwischen Ofen und Gästereihe schwer durchkam und hie und da an einem Stuhl hängen blieb, war auch er endlich am Ort – und der alte Laji Pongrácz, der berühmte Primas der Kapelle, der einst noch für Erzherzog Rudolf musiziert hatte, begann sein Spiel mit dem Lied »Vergissmeinnicht, du blaue Blume«, Frau Laczóks Lieblingslied aus deren Mädchenzeit, als sie, wie damals so viele, für Gyurka Bánffy, den Schöpfer des Stücks, geschwärmt hatte.
    Frau Laczók blickte auf, als würde sie die Zigeuner erst jetzt bemerken, dabei hatte sie die Augen stets überall. Sie lächelte. Laji wandte sich ihr zu und verneigte sich wiederholt – das waren seine Glückwünsche – und spielte wunderbar. Nachdem er die Weise beendet hatte, blinzelte er schelmisch dem Hausherrn zu. Mit vielsagendem Grinsen stimmte er nun dessen Leiblied an: »Auch ich war einst Kutscher einer schönen Frau …«
    Doch nun erhob sich mitten im Lied Péter Kis, der Obergespan. Er räusperte sich und ließ mit dem Messer sein Glas erklingen. Die Musik verstummte, wie entzweigeschnitten. »So, mein Herr, Herr Sándor Kendy, ich will einen Toast ausbringen …«
    Der alte Kajsza murmelte etwas von der Art: »Bringen Sie bloß …«, doch klang das unter seinem schrägen Schnurrbart so unsicher, dass kaum jemand ihn verstand. Und der Obergespan begann seine Festrede.
    Er setzte bei der griechischen Mythologie ein, beim Urteil des Paris. Dann glitt er mit einer geschickten Wendung vom Berg Ida hinüber zum Taufnamen der Hausfrau und zog eine Parallele zwischen dem Trojanischen Krieg und dem gastfreundlichen Haus, um dann die Schönheit der Hausherrin höher zu veranschlagen als diejenige der drei Göttinnen, und damit schloss er unter Hochrufen.
    Die Kapelle schmetterte einen Tusch. Man stieß an, und mitten im allgemeinen Gläsergeklirr und den Hochrufen, als der Lärm etwas nachließ, erhob sich neben Tante Lizinka Dániel Kendy und wandte seine riesige Weinnase dem Obergespan zu.
    Man bemerkte erst nach einiger Zeit, dass er aufgestanden war. Doch da ergriff die Gesellschaft freudige Erwartung, weil Herr Dániel im Ruf eines zu Scherzen aufgelegten und mit bösem Humor gesegneten Mannes stand. »Hört! Hört!«, rief man auf allen Seiten. »Lasst uns Onkel Dani anhören!«, ertönte es, denn alle wussten, dass nun irgendein Streich folgen würde, während der Redner selber noch zuwartete und die winzigen schwarzen Augen spaßig zusammenkniff.
    Dann begann er. Da er schon etwas besäuselt war, stotterte er noch mehr als gewöhnlich: »H… H… Herr Obergespan! S… S… Sie sind ein L… L… L… Landes… sch… sch… sch… schwindler!« Er stieß rülpsend nur so viel aus sich heraus, und wie jemand, der sich seiner Aufgabe gut entledigt hat, trank er sein Champagnerglas leer. Und mit einem bösen Lächeln, das sein aufgedunsenes, kupferrotes Gesicht in Würstchen zergliederte, nahm er wortlos wieder Platz.
    Riesengelächter erschallte. Hier und dort vernahm man Stimmen: »Ach, Dániel, dieser Narr!« Selbst der Obergespan lächelte, wenn auch leicht widerwillig. Am klügsten aber benahm sich Laji Pongrácz, denn nach einem kurzen Tusch setzte er mit einem prasselnden Csárdás ein, der jedes andere Wort und Gefühl mit einem Mal erdrückte und alles mitriss, sodass zu seinem harten, rüttelnden und abgehackten Rhythmus selbst die Gläser zu tanzen schienen.
    Doch alles, was gut ist, nimmt einmal ein Ende. So beendete man auch das Nachtmahl. Nachdem das Gefrorene und die riesigen Torten in der Runde herumgereicht, das Obst und der Quittenkäse verzehrt und die feinen Liköre aus kleinen Gläsern getrunken worden waren, erhob sich die Gesellschaft und zog aus dem Esssaal hinaus. Die meisten älteren Herren versammelten sich im Rauchsalon, wo sie von vielerlei selbstgebranntem, aber feinem Schnaps erwartet wurden; die bejahrteren Damen zogen in den Kleinen Salon der Hausherrin, die Jugend wiederum traf sich im geräumigen, kupferbedeckten Erker. Und das war gut so, denn nun galt es, den großen Esstisch auseinanderzunehmen, die zusätzlichen Stützen wegzuschaffen und Platz zu machen für den Ball, der bald beginnen sollte.

    Die Konversation der Mütter kam schleppend in Gang. Sie würdigten die Küchenkünste des Nachtmahls. Eine einzige Petroleumlampe nur brannte hier – im Haus

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