Die Schrift in Flammen
langstämmigen Rosen entlang. Dunkelheit wäre beinahe schon hereingebrochen, hätte der Himmel im Westen nicht noch rot geglüht. Drüben war auch der Vollmond aufgegangen und lockerte die sich verstärkenden Schatten. Eine Gruppe von Gästen kam ihnen entgegen, als sie sich zum dritten Mal dem Eingang näherten, alle schon in Abendtoilette, die Frauen in ausgeschnittenem Kleid. Die gestärkte Hemdbrust der Herren: lauter Zielscheiben. Zwar blendete der Glanz des Sonnenuntergangs hinter ihnen, doch Bálint erkannte an der Spitze Adrienne Milóth schon von weitem – nicht das von Schatten verdeckte Gesicht, sondern den Gang, die weit ausholenden Schritte und die Umrisse des Kopfes, um dessen strenges Oval das dunkle Wellenhaar wilde Arabesken beschrieb. Ihre Schwestern waren bei ihr und zwei junge Herren. Als erste Reaktion wollte Bálint ausweichen, doch dies war ein flüchtiges, vorübergehendes Gefühl, fast ein Reflex, ganz ohne Grund und Sinn.
Adrienne kam ihm ruhig entgegen, ihre Schritte beschleunigten sich nur ein kleines bisschen. Ihr schön geformter, ein wenig breiter Mund lächelte, und sie reichte ihm freudig die Hand: »Wie schön, dass auch Sie gekommen sind, BA!« Die Siebenbürger Altersgenossen nannten Abády seit langem so, indem sie seine Initialen zusammenzogen. »Sehen Sie, ich bin schon Garde-Dame geworden und führe die da in die große Welt ein!« Lachend und mit einer bemutternden Geste legte sie die Arme um die Schultern ihrer zwei hübschen Schwestern, die von etwas kleinerem Wuchs waren als sie selbst.
Auch die begleitenden Herren kamen näher. Der eine war Ákos, der jüngste Alvinczy-Sohn, den anderen aber kannte Bálint nicht. Dieser trat ebenfalls hinzu und schlug militärisch die Hacken zusammen. »Egon Wickwitz«, sagte er und verbeugte sich.
Es war der gleiche Herr, den er in der Kutsche der Milóths gesehen hatte. Abády musterte ihn beim Händedruck mit rasch urteilenden Augen. Es war ein Mann von athletischer Gestalt, bei den spannweiten Schultern und den schmalen Hüften wirkte der Oberkörper wie ein Dreieck, erst recht betont durch seine breite, in eine weiße Jacke übergehende Hemdbrust. Er steckte im Frack, und sein Äußeres war etwas gesucht, wie bei Leuten, die gewöhnlich andere Kleider tragen. Bálint missfiel das, und irgendwie mochte er auch das Gesicht nicht. Dabei war Baron Wickwitz ein hübscher Mann. Er hatte versonnen blickende braune Augen und ein langes, schmales Gesicht, das an der Stirne das etwas tief ansetzende pechschwarze Haar jäh entzweischnitt. Einige Höflichkeitsfloskeln – und sie kehrten um, durchmaßen die Promenade der Länge nach. Vorne ging Abády mit Adrienne, hinter ihnen der Reihe nach Margit Milóth mit Alvinczy und dann Judith mit László Gyerőffy sowie dem Baron, der den deutschen Namen trug.
»Wer ist dieser ›bikfic‹ 1 oder wie er nur heißt?«, fragte Bálint.
Adrienne lachte. »Wie denn, auch Sie nennen ihn so? Dabei haben Sie es von anderen gar nicht gehört. Natürlich, es liegt so nahe. Man spricht ihn auch selber mit dem Namen an«, fuhr sie ernsthafter fort, »und es zeugt von einer gutmütigen Natur, dass er das duldet.«
»Und wer ist dieser vorzügliche Herr?«
»Ein ganz liebenswürdiger Mann«, sagte die junge Frau, »ein Herrenreiter, und er soll auch in allen anderen Sportarten hervorragend sein. Im Übrigen dient er als Oberleutnant bei den Kronstädter Husaren.«
»Warum trägt er dann keine Uniform?«, fragte Bálint in eher missbilligendem Ton.
»Er hat sich für längere Zeit Urlaub genommen.«
Sie legten einige Schritte wortlos zurück. Bálint wurde wieder von jener grundlosen, angriffigen Zorneslaune ergriffen, die ihn seit der Verheiratung Adriennes jedes Mal überkam, wenn sie sich – selten genug – trafen.
»Ist das Ihr neuester Flirt?«, fragte er beinahe mit beleidigender Absicht.
Die Frau zog ein wenig die Augenbrauen zusammen. Einen Augenblick schien sie zu zögern, dann lächelte sie ihm zu. »Meiner nicht, doch wie ich höre, macht er Ihrer berühmten Flamme den Hof, der hübschen kleinen Dinóra.«
Dieser Hieb zurück kam unerwartet. Umso mehr, als Adrienne zu der Zeit, als sie noch ledig war, niemals auch nur eine Anspielung auf seine damalige Leidenschaft gemacht hatte.
»Offenbar spricht er ziemlich gut Ungarisch«, sagte Bálint unter Vermeidung des vorhin berührten Themas.
»Ja, seine Mutter ist Ungarin; sie kommt, soviel ich weiß, aus irgendeiner Familie in
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