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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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erlegt haben, zieht sich die Grenze auf dem Kamm, der gegenüber verläuft. Von da an gehört der Wald Ihrer gnädigen Frau Mutter. Ich hätte es am Ort zeigen können. Wenn wir von da aus zu Fuß den Weg nach Hunyad nehmen, durchqueren wir immer Ihren Besitz«, antwortete der Jäger.
    Sie schritten tüchtig aus. Als sie auf dem letzten Hügel oben anlangten, kam ihnen Adrienne entgegen. Sie war frisch und ausgeruht. Ihre breiten Lippen lächelten fröhlich. Sie musterte die Beute.
    »Armes Reh«, sagte sie. »Aber es ist besser, es stirbt so schön, plötzlich, statt dass Wölfe es reißen oder ein Wilderer mit der Schlinge …« Dann fragte sie: »Sind Sie nicht müde, BA? Wenn nicht, dann zeige ich Ihnen hier eine wunderbare Stelle, von wo aus man sehr weit sieht.«
    Der Wildhüter trennte sich von ihnen, um den Bock in sein Haus zu tragen und ihm dort das Fell abzuziehen, während sie beide auf einem anderen Pfad durch den Wald abermals aufwärts gingen. Der Weg war schmal und kurvenreich. Nach kaum hundert Schritten umarmten sie sich schon, und nach dreißig bis vierzig Schritten blieben sie nun jedes Mal stehen, um sich lange zu küssen. So gelangten sie zur Anhöhe hinauf. Eine herrliche Aussicht bot sich dar, der Blick fiel auf lauter bewaldete, wellenförmige Hänge und weiter entfernt auf die Burgruine, doch Bálint beachtete all dies kaum, so trunken war er von Adriennes Mund, Arm und – obwohl sie sich nirgends gesetzt hatten – von ihrem sich anschmiegenden Körper, als hätte er auf ihrem Spaziergang einen Zaubertrank aus den geschwungenen Lippen getrunken. Das »Du« als Anrede erwachte bei der Rückkehr zwischen ihnen zu neuem Leben.

    Gegen Mittag stellten sich Farkas und Ádám Alvinczy ein. Sie waren mit dem eigenen Gespann gekommen, da Farkas nicht weit entfernt, in Magyarókereke wohnte, weniger als zehn Kilometer südlich von Bánffyhunyad. Ihre Anwesenheit lockerte die kalt zeremonielle Stimmung nicht, sie unterstrich sie womöglich eher, denn die beiden waren in der Schule von Onkel Ambrus groß geworden und deshalb gewohnt, obszöne Sprüche zu machen, während sie jetzt, da sie wegen der alten Gräfin, Adrienne und auch wegen Pali Uzdy ihre Zunge im Zaum halten mussten, sich linkisch und sonderbar formell benahmen. Dazu kam, dass der Jüngere, den Adrienne scherzhaft Ádám Ádámowitsch nannte, in die junge Frau sehr verliebt war, was er, so gut es ging, mit einer steifen Haltung zu kaschieren suchte.
    Man war darum beim Mittagessen und danach ziemlich schweigsam, Uzdy führte erneut in seinem brüchigen, spöttischen Ton das Wort, und die beiden Alvinczy brummten nur ab und zu etwas, eine zustimmende Nichtigkeit. Uzdy indessen war in seinem Element. Als gebildeter und belesener Mann wählte er die wissenschaftlichen Themen, stellte dabei dem einen oder anderen eine Frage, verwarf die Antwort mit höhnischen, wiewohl in Höflichkeit getunkten Worten, und er fuhr fort, die neuesten Daten aus dem Bereich der Elektrotechnik oder der Astronomie äußerst einfallsreich zusammenzufassen. Bálint hatte irgendwie das Gefühl, Uzdy brüste sich. Er wolle glänzen. Nicht vor den Alvinczys und auch nicht vor ihm, Bálint. Sondern vor seiner Frau. Als klänge hinter jedem seiner Sätze dies: »Siehst du? Das bin ich. Deine Anbeter sind lauter Schwachköpfe. Nur ich, ich, nur ich!« Adrienne aber bewahrte ihre verschlossene Miene und den gläsernen Blick unter den Augendeckeln. Auch Gräfin Clémence verharrte hinter ihrer gemessenen Höflichkeit. Im Esszimmer, wo die Jalousien geschlossen blieben, und später im dämmrigen Salon wurden sie vom stummen, stämmigen Butler bedient; er kam herein, um die Aschenbecher zu holen, und entfernte sich wieder. Einzig seine traurigen Augen schweiften manchmal in die Richtung seines Brotherrn ab. Uzdy indessen hörte bis zum späten Nachmittag nicht auf, mit nervös betonter Witzigkeit zu sprechen.
    Endlich hatte er einen Vorschlag: »Gehen wir Tauben schießen! Das ist der richtige Sport! Ich habe eine überaus gute Anlage, wie die in Monte Carlo. Einverstanden? Also los, lasst uns gehen!«
    Die alte Gräfin verzog sich, Addy allein kam mit.
    »Du züchtest sie natürlich selber?«, fragte Ádám Alvinczy beim Aufbruch.
    »Die Tauben? Keine einzige. Wir schießen auf Tontauben. Ich brächte es nicht fertig, ein lebendiges Tier zu töten. Wozu? Das Tier tut niemanden etwas zuleide. Einen Menschen, das wäre etwas anderes, aber ein Tier, nein, niemals!« Und er

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