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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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seinen Augen jedoch lauerte eine merkwürdige Unruhe, als forsche er eifrig nach etwas in der Flamme hinter dem Glas. Die Muskeln an seinem Gesicht spannten sich von Zeit zu Zeit, die Mundwinkel verzogen sich manchmal, als wollte er lachen oder zubeißen, dann zwinkerte er und legte den Kopf langsam zurück. So verharrte er lange. Bálint sah ihn von seinem Platz neben der Balkontür.
    Auch Adrienne schwieg nun. Doch dies war nicht das vertrauliche Schweigen in den Stunden ihrer Zweisamkeit. Etwas verschlossen Feindseliges lag jetzt darin. Feindselig verhielt sie sich allen gegenüber, und die wenigen Worte, die sie sprach, klangen hart, abweisend, obwohl sie scheinbar scherzte, manchmal sogar kurz auflachte, und vielleicht suchte sie auch, Ádám Ádámowitsch zu betören. Doch wie wenn dies alles künstlich, nur äußerlich wäre …
    Uzdy stand nach einer Weile auf und verließ den Raum. Kurz danach kehrte er zurück und trat auf die Terrasse hinaus. Er hatte einen seidenen Shawl bei sich.
    »Das habe ich für Sie mitgebracht, damit Sie sich nicht erkälten.«
    »Danke, es ist nicht kalt … nein, danke«, antwortete die Frau abwehrend, doch er legte das Tuch trotzdem über ihre Schulter; dann machte er kehrt und begab sich wieder in den Großen Salon. Warum kam es Bálint so vor, als habe ihn Uzdy höhnisch angeblickt?
    Dies war eine kleine Begebenheit. Anderes geschah auch später nicht. Die alte Dame erhob sich schließlich vom Kanapee, die Gesellschaft kehrte in den Saal zurück, und alle verabschiedeten sich. Clémence zog sich nach links in ihren Wohntrakt zurück; die beiden Alvinczys wurden vom Butler ins Erdgeschoss hinunterbegleitet; Adrienne und ihr Mann sowie Abády betraten den Korridor rechter Hand; die Tür zu Bálints Gastzimmer befand sich hier. Bei dieser Tür blieben sie stehen und grüßten. Uzdy legte den Arm um seine Frau und führte sie weiter. Dann verschwanden sie hinter einer Ecke.

    Bálint löschte das Licht, konnte aber nicht schlafen. Im Zimmer war es warm. Er ging zum Fenster und stieß die Jalousien auf. Eine wunderbare Gegend bot sich dar, doch war nur ihre rechte Hälfte sichtbar. In der Mitte wurde sie vom vorspringenden Bau entzweigeschnitten, und auf noch härtere Art ebenso von dem viereckigen, holzturmartigen Gebilde, das fast am Ende des Flügels herausragte. Darin befand sich die Treppe, doch die unregelmäßig angeordneten kleinen Fenster sah man jetzt nicht, alles daran war auf gleiche Weise nachtschwarz. Unendliche Stille herrschte, nirgends ein Laut. Das Dorf lag weit hinter einem Hügel. Auch Hundegebell hörte man nicht.
    Der junge Mann stützte sich am Fenstersims auf die Ellbogen. Ja, es war ein wunderbares Landschaftsbild, wiewohl – vielleicht wegen des kalten Mondlichts – erstaunlich düster. Zerklüftete Anhöhen überall. Die Schwärze der Eichen auf allen Seiten, selbst hier im blumenlosen Garten; einzig weit in der Ferne, eine Spanne neben der senkrecht eingeschlossenen Treppe, nur dort leuchtete etwas: die Mauern der Burgruine, die aber jetzt, anders als bei Sonnenschein, nicht als lebendige, glänzende Finger wirkten, sondern als zwei dünne und blasse Gespenster, gebildet aus Dunst und Nebel und vielleicht aus Fatalität … Bálint blieb lange am Fenster, und als er so in die Nacht hinausstarrte, kehrte in seiner Erinnerung Adriennes Gesicht von heute Abend zurück. Ein kaltes, feindseliges Gesicht hatte sie gezeigt – allen, auch ihm. Und seit die Alvinczys da waren, befasste sie sich eher mit Ádámowitsch als mit ihm, sie neckte ihn mit frostiger Koketterie. Verletzend, erniedrigend war das und nach den vielen hingabevollen Küssen am Morgen irgendwie auch unverständlich. Verdacht erwachte in ihm: Sollte sie berechnend sein? Eine jener Frauen mit eiskaltem Herzen, die aus reinem Vergnügen gleichzeitig mit mehreren Männern ihr Spiel treiben, um sich an ihrem Leid zu weiden und sie zu verlachen? Frauen, unfähig zu lieben, es gibt sie – solche, die nur dann Freude empfinden, wenn sie Qualen bereiten … Derartiges ging Bálint durch den Kopf, als er am Fenster lehnte. Ein Knarren zerriss plötzlich die ringsum herrschende Stille. Es war die Holztreppe. Kerzenlicht flackerte hinter den winzigen Fensterscharten. Das Licht zog aufwärts. Bei den Kehren verschwand es, alles wurde schwarz, hernach erhellte sich schon eine der kleinen Fensternischen weiter oben. Und zuoberst auf dem Stockwerk war es dann weg. Als presste ein riesiger, stählerner

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