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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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untergebracht?«, fragte die junge Frau. Doch bevor der Diener hätte antworten können, ertönte von oben im Zimmer die Stimme Pali Uzdys; in den Raum, aus dem er sprach, sah man von hier unten nicht hinein, denn das Fenster befand sich in der Höhe von etwa fünf Metern; die Antwort kam von dort: »Meine Mutter hat für ihn das Gastzimmer auf dem Stockwerk bestimmt. Dort wird er wohnen.« Die Stimme lachte jetzt ohne Grund, dann fuhr sie fort: »Auch ich grüße ihn, oh, natürlich! Aber ich muss noch arbeiten. Unterdessen sollst du ihn amüsieren, spaziert, amüsiere ihn!« Und abermals schien dort oben jemand zu lachen.
    Es war merkwürdig und überraschend, dass die Stimme aus dem Unsichtbaren ertönte, als spräche sie aus der Luft über ihren Köpfen. Und es lag etwas Beunruhigendes und Fürchterliches in dieser nicht wahrnehmbaren Anwesenheit, als wäre Uzdy fortwährend unter ihnen, über und neben ihnen …
    Bei den Säulen des Altbaus setzten sie sich auf eine Bank, wo man sie beide von allen Seiten sehen konnte, und unterhielten sich über Nichtigkeiten, während sie das Gefühl nicht verließ, sie würden aus allen vergitterten Fenstern des neuen Flügels und durch alle Ritzen der geschlossenen Jalousien des alten Schlosses beobachtet und belauert.

    Sie speisten am Abend nach acht Uhr um den breit bemessenen Esstisch, sodass sie, vier Personen, voneinander ziemlich weit entfernt saßen. Zwei Petroleumlampen hingen an der Decke. Gräfin Clémence äußerte sich höflich und kühl, Adrienne sprach nur wenig. Die Konversation wurde von Uzdy geführt. Dies änderte sich auch nach dem Nachtessen im ovalen Salon nicht. Die Jalousien blieben auch jetzt geschlossen, weil draußen der Wind wehte.
    Bálint sollte sich auch später nicht daran erinnern, worüber sie gesprochen hatten; gegenwärtig blieb ihm einzig, dass zwei Lichter auf dem Tisch ständig flatterten und unruhige Schatten auf die Decke warfen und dass ihm vom Hausherrn das Angebot gemacht worden war, vor Tagesanbruch mit einem seiner Jäger, der ihn wecken würde, auf Pirsch zu gehen: »Man sagt, es gebe in meinen Wäldern sehr gute Rehböcke. Ich bin kein Jägersmann, ich verstehe nichts davon, aber bitte, wenn du wünschst, bitte … Höchste Zeit, dass man einige erlegt.«
    Abády bemerkte, er habe keine Waffe mitgebracht.
    »Oh, das macht nichts. Ich habe allerlei. Schœnauer, Kaliber 6,5? Oder willst du eher eine Mauser?« Und da er Bálints leichte Überraschung sah, fügte er hinzu: »Ich übe mich regelmäßig im Wettschießen und lasse mir darum die präzisesten Gewehre kommen, morgen Nachmittag können wir auch mit ihnen einen Versuch machen … freilich, freilich, freilich!« Und er lachte dazu sein merkwürdiges, sauer-süßes Lachen, das seinen langgetrimmten dünnen Schnurrbart beidseitig auseinanderzog, als wären es zwei spannenweite Striche. Bálint verspürte keine besondere Lust, wollte aber das Angebot nicht zurückweisen.

    Es dämmerte kaum, als Bálint geweckt wurde. Sie überquerten den oberen Hof, verließen dort die Straße und bogen in den Wald ein. Der Weg führte über Hügel auf und ab, zwischen Eichen in einem fachmännisch behandelten Forstrevier. Ein weiß bestrichener Pflock mit einem kleinen Brett und einer darin eingekerbten Nummer stand an der Ecke jeder Abteilung. Alle hundert Meter folgte eine quer verlaufende Schneise. Bálints Interesse wurde durch diesen sorgfältig verwalteten Forstbesitz gleich geweckt. Auf solche Art, dachte er, müsste ich unser Hochgebirgsgut in Ordnung bringen.
    Nach etwa anderthalb Stunden ereichten sie eine Talsenke, in der sich ein Waldschlag abschüssig hinunterzog.
    »Hier finden wir das Wild am ehesten«, flüsterte der Förster, im Gesträuch unter den Stämmen langsam schleichend. Das Fell zahlreicher Rehe schimmerte tatsächlich rötlich im Niederwald am Hang. Der Wildhüter zeigte schließlich auf einen Bock weiter unten, der ohne Deckung mit den Ästen einer Eiche spielte.
    »Nehmen Sie den, der ist gut.«
    Es war ein leichter Schuss aus der Distanz von kaum hundert Metern. Das Wild fiel auf der Stelle. Der Begleiter ging hinunter, um das Reh zu holen, während Bálint sich an den Rand des Hochwalds setzte. Als das Reh herbeigeschafft war, machten sie sich auf den Heimweg. Bálint wusste, dass seine Mutter in dieser Gegend einen Waldbesitz hatte. Er erkundigte sich, wo dieser lag.
    »Ei! Belieben, warum haben Sie nicht früher etwas gesagt? Gerade dort, wo wir den Bock

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