Die Schrift in Flammen
es darin keinen Platz, er war beinahe ganz flach, sodass man ihn, damit er oben blieb, mit zwei dünnen Bändern unter dem Kinn festmachen musste. Mit dem Faltenwurf, der dem Körper folgte, und mit dem schwebenden Hut, unter dem ihr das wild gekrauste schwarze Haar ins Gesicht fiel, kam sie Bálint wie eine lebendig gewordene Tanagrafigur vor; diese Statuetten trugen manchmal den Hut so zurückgeschoben, sie waren so beredt modelliert.
Adrienne bot so einen unerwarteten Anblick. Ihr Gesicht, von roten Bändern umrahmt, schien eine Maske, eine fröhlich glänzende Elfenbeinmaske zu sein, in der die Bernsteinaugen und der volle, rote Mund lachten.
»Oh, Sie sind es, BA! Ich habe schon gar nicht mehr geglaubt …«
Doch hier stockte sie, sie setzte den Satz nicht fort. Ihr Gesicht verschloss sich. Nun erhob sie sich. Die Gartenschere warf sie in den Korb, und sie strich sich mit der Hand über die Knie, um die klebenden Erdklümpchen abzuschütteln. »Ich bin schrecklich schmutzig. Nicht einmal die Hand kann ich Ihnen geben.«
Zu dritt machten sie sich auf den Weg, dem Haus zu.
»Meine Schwiegertochter ist eine große Gärtnerin. Eine große Gärtnerin! Sie pflegt die Obstbäume. Eine sehr nützliche Tätigkeit.« Das hätte als Anerkennung gelten können, wäre darin nicht so viel Geringschätzung mitgeklungen.
»Oh, ich habe damit erst letztes Jahr begonnen, ich muss noch viel lernen. Aber es macht mir Spaß, und zumindest habe ich etwas, womit ich mich beschäftigen kann.«
Langsam spazierten sie zurück. Die Schwiegermutter ging in der Mitte, Bálint rechts, Adrienne links von ihr. Die alte Frau nahm am Rand des Buchenhains Abschied: »Ich übergebe Sie jetzt meiner Schwiegertochter. Auf Wiedersehen beim Nachtessen.«
»Wo ist Pali?«, fragte Adrienne die sich entfernende Frau.
»Wohl in seinem Zimmer. Zu solcher Stunde arbeitet er ja immer an seinen Abrechnungen. Er ist noch nicht herausgekommen«, sagte Frau Uzdy rückwärts gewandt, und dann ging sie mit ihren entschlossenen, stampfenden Schritten hügelan davon.
Die jungen Leute blieben stehen. Sie beobachteten stumm, wie die dunkle, aufrechte Gestalt immer weiter dahinschritt, bis sie schließlich im Wald verschwand. Da verließen auch sie den im Sonnenlicht liegenden Obstgarten und betraten den dichten Buchenhain. Eine Weile wanderten sie wortlos zwischen den jahrhundertealten Bäumen, deren Boden vom letztjährigen Laub dick bedeckt war. Bei einer Kehre des Pfads blieb Adrienne unerwartet stehen, sie spähte schnell in die Runde und bot Bálint stumm ihren Mund. Der Kuss dauerte nur einen Augenblick, doch Addy hatte vielleicht noch nie so wild geküsst. Doch lag darin nicht Verliebtheit, es schien eher, als wollte sie Rache üben, sich Genugtuung verschaffen, und als sie den Mann von sich wegschob und weiterging, schritt sie mit erhobenem Haupt, ernstem Gesicht und zusammengezogenen Augenbrauen. Sie sprach erst, als sie am Waldrand auf die Wiese hinaustraten: »Gut, dass Sie gekommen sind, BA, gut.«
Sie gingen die zum Schloss führende Serpentine hinauf. »Schrecklich, dieser vorspringende Flügel«, sagte Bálint. »Der schöne Barockbau wird von ihm vollständig zerstört.«
»Mein Schwiegervater hat ihn bauen lassen. Scheußlich. Wissen Sie«, und Addys Stimme wurde leiser, »er war, wie man erzählt, schon damals gestört. Später … später … Sie haben davon sicher gehört?« Und sie blickte ihren Begleiter vielsagend an, sprach aber das Wort, das in diesem Haus als Tabu galt, nicht aus.
Es hieß – Bálint hatte es von seiner Mutter vernommen –, dass Domokos Uzdy als Geisteskranker gestorben sei, und zwar hier im eigenen Haus, da seine Frau ihn nicht hatte in eine Anstalt einliefern und damit seinen Zustand publik machen wollen.
»Ja … man hat mir darüber erzählt.«
»Der Butler, der … den Sie, nicht wahr, schon gesehen haben … der alte Maier, er war sein Pfleger. Man hatte ihn von irgendwo kommen lassen … Dann ist er endgültig dageblieben.«
Eine Zeitlang gingen sie wieder wortlos weiter. Dann meldete sich Addy ein klein wenig lachend: »Möglich, dass man ihn noch benötigen wird …« Doch Bitterkeit mischte sich in ihr Lachen, als hätte sie ihren Spruch auf sich selbst gemünzt. Auf der sich schlängelnden Straße erreichten sie die Stirnseite des Schweizer Flügels. Ein Diener brachte über die steile Treppe des hölzernen Vorbaus auf dem Tablett soeben ein Teeservice heraus.
»Wo hat man Graf Abády
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