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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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schon ein Stockwerk auf. Bálint konnte das Schloss von Almáskő erst jetzt in Augenschein nehmen.
    Es war ein schmucker Barockbau mit einem mächtigen, von Säulen getragenen Erker in der Mitte, der sich die ganze Länge des mittleren Salons entlangzog und sich oben mit einer unterteilten Kuppe an das Doppeldach des Hauses anschloss. Stämmige Säulen unter einem Korbgewölbe stützten den Erker, darunter befand sich die Tür zur unteren Wohnung.
    Ob es hier wohl Gästezimmer gibt, fragte sich Bálint, und unwillkürlich durchfuhr ihn der Gedanke: Sie müssen entsetzlich feucht sein. Doch als er das Haus weiter musterte, erblickte er einen Flügel, der aus der entgegengesetzten Ecke herauswuchs und sich auf den Hang stützte. Ein seltsamer Bau! Unten türmten sich ungemeißelte Natursteine aufeinander, während der Trakt darüber das Bild eines mit nackten Ziegeln gefüllten Riegelbaus bot. Zugedeckt wurde der Flügel oben von einem kaum geneigten, weit herausragenden sogenannten Schweizer Schindeldach. Von dessen Rand hingen wie Eiszapfen Laubsäge-Verzierungen herab, und angebaut an der Seite erhob sich ein aus Brettern gezimmerter Holzturm, dessen unregelmäßig angeordneten Fenstern man ansah, dass sich drinnen eine Treppe befand. Die Fenster auf ebener Erde hatte man dicht vergittert. Und da sich dieser Flügel weit in den Abhang hinein erstreckte, ragte er am unteren Ende beinahe zwei Stockwerke hoch empor, sodass er mit seiner Höhe das hübsche alte Haus ganz erschlug.
    Die verwitwete Gräfin Uzdy bemerkte Bálints Betretenheit ob dieses unerwarteten Bau-Ungeheuers. Sie sagte zur Erklärung: »Mein seliger Mann hat diesen Trakt bauen lassen … Er hatte sich in Häuser dieser Art damals, als wir Tirol bereisten, sehr verliebt … Eigentlich habe ich mir schon oft überlegt, ob man ihn nicht abbrechen sollte, aber mein Sohn hat sich sehr daran gewöhnt.«
    Auf einem gepflegten Weg, der eine sanft abfallende Wiese mehrmals entzweischnitt, gingen sie den Hügel hinunter. Der Rasen war kurzgeschnitten, man hatte das Gras gewiss gesät, Unkraut wuchs darin nirgends. Auch Maulwurfhaufen fehlten auf der gepflegten Wiese, die hier und dort von Thujen, weit ausgebreiteten Sadebäumen und spitz ausladenden Lebensbäumen unterbrochen wurde; auch Taxushecken, genau geschnitten, standen da. Dem Garten war anzusehen, dass man ihn sorgfältig pflegte. Überraschend wirkte, dass es nirgends Blumen oder blühende Sträucher gab, nicht einmal Feldblumen, da man überall gemäht hatte. Unten schloss den Park ein Eicheinhain ab, jenseits von dessen Kronen erstreckte sich das Tal; unter verstreut stehenden Bäumen und zwischen bewaldeten, höckerigen Hügeln zog es sich gegen Norden hin, bis es auf den steilen Burgberg stieß. Bálint freute sich, oben die Ruine von Almásvár zu erkennen, den einzigen riesigen Turm, der noch stehen geblieben war und den er nach dem Tunnel von Sztána so oft gesucht hatte. Von dort nahm er sich so aus, als ragten zwei gestreckte Finger aus dem Wald hervor. Jetzt begriff er, dass die beiden glänzenden Linien von den zwei Seiten des Turms herrührten, zwischen denen das Verbindungsstück eingestürzt war, sodass man aus der Ferne nur die dicken, beleuchteten Mauern sah.
    Sie durchquerten einen dichten Buchenhain und nahmen den Weg zum Obstgarten, wo die modernsten Zwergapfelbäume in Reih und Glied standen. Unter jedem Baum hatte man die Erde auf der Fläche eines breiten Tellers mit dem Spaten gelockert, und jeder Stamm trug einen klebrigen Gürtel, damit die Insekten ihn nicht erklettern konnten.
    Eine Frau kniete etwa beim zwanzigsten Baum. Man sah sie nur von hinten. Eine gelbe Leinenschürze bedeckte ihre Kleidung, auf dem Kopf trug sie einen breiten Strohhut. Sie hantierte am Stamm und schien sehr beschäftigt. Neben ihr stand ein Korb im Gras. Frau Uzdy führte Bálint zu ihr.
    Als sie sich einige Schritte entfernt befanden, sprach die alte Dame sie an: »Adrienne! Ein Gast ist da!«
    Adrienne wandte sich auf den Knien in die Richtung um, aus der man sie gerufen hatte. Bálint stand wie vom Schlag getroffen da. Das war wieder eine andere Addy! Die gelbe Leinenschürze reichte ihr bis zum Hals, von wo sie hinunter bis zum Gürtel dünne Falten bildete, und weiter unten zeichnete sie die Bewegung über die Schenkel bis zu den gebogenen Knien nach. Die tief stehende Sonne leuchtete ihr ins Gesicht, denn ihr Strohhut gehörte zur Sorte, den die Frauen von Kalotaszeg tragen, für den Kopf gab

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