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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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zweiten Satz schlug die Stimmung schon um, und nach dem Verlesen des Telegramms ertönten rauschende Hochrufe. Der Redner aber lärmte weiter, er führte aus, dass er von nichts gewusst habe, ihm sei einzig gesagt worden, dass es um das allgemeine Wahlrecht gehe, das von jeher zum Programm der 48-er Partei gehöre, er habe das geglaubt, denn er sei, obwohl ein guter Patriot, kein Politiker, sondern ein armer Mann aus dem Dorfe, erst jetzt im Zug habe er aus den Budapester Zeitungen erfahren, in welch grässliche Geschichte sie ihn hätten hineinziehen wollen. »Aufs gemeinste wurde ich betrogen, ich habe mich aber befreit, und fortan opfere ich im Kampf mein Leben und mein Blut …!«
    Als sich Bálints Zug in Bewegung setzte, sah er noch, wie die jungen Leute Cseresnyés von der Einstiegtreppe herunterhalfen und ihn auf ihre Schultern hoben, um ihn im Triumphzug in die Stadt zu tragen. Und während Abády angewidert an diese Szene zurückdachte, setzte Cseresnyés über den Köpfen der Menge seine Ansprache mit fuchtelnden Gesten in bester Laune fort.
    Er hatte Grund, gutgelaunt zu sein, zumal wenn er sich seinen jüngsten Trick vergegenwärtigte: Wie er sich durch einen alten Schulkameraden bei Kristóffy hatte empfehlen lassen; wie freudig dieser ihn empfing – vielleicht wegen des Anblicks, den seine langen Arme, großen Hände und sein Stiernacken boten; wie er von ihm für seine Spesen als Obergespan zehntausend Kronen bekommen hatte. Doch er hegte noch schönere Erinnerungen. Es hatte ein erstes Telegramm gegeben, das er von Klausenburg an das Innenministerium geschickt hatte und von dem niemand wusste: »Meine Geldbörse ist mir im Zug gestohlen worden. Stop. Ich erbitte die Summe ein zweites Mal, da ich sonst nicht hinfahren kann.« Und man überwies ihm das Geld aufs Neue, er strich es ein, dann verabschiedete er sich in Klausenburg von dem Beauftragten Kristóffys – er reise nun in sein Komitat –, und bereits in Kocsárd ließ er das zweite Telegramm abgehen. Ein herrlicher Scherz! Und zwanzigtausend Kronen Gewinn! All dies ging ihm durch den Sinn, während seine Phrasen sich endlos ergossen. Er kam dermaßen in Stimmung, dass er unterwegs, bis die Leute mit ihm den Hauptplatz erreichten, einen großartigen Dialog dichtete: Was der Minister ihm gesagt, wie er ihn übertrumpft und mit selbstbewussten Worten beschämt habe.
    »Ich habe ihm gleich gesagt: Sie sind ein gemeiner Schuft! Ja, das habe ich gesagt! Er aber flehte mich an, er küsste mir beinahe die Hand. Küssen, sagte ich ihm, solle er mich am …«
    Cseresnyés, auf den Schultern der jungen Menschen, rief derartiges in die Runde, während man ihn in die Stadt trug; die Leute lachten aus vollem Hals und ließen ihn hochleben. Dass sie ausgezogen waren, um ihn zu verdreschen, dies hatten sie schon längst vergessen. Mit großem Appetit stopften sie sich voll mit dem, was Cseresnyés ihnen saftig vorlog.
    Zum Helden des Installations-Tags wurde auf diese Weise weder der große Sámuel Barra noch Bartókfáy, der opferbereite Präsident des Waisenamts, nicht Doktor Zsigmond Boros, der juristische Autor der Eingabe, und noch nicht einmal Tante Lizinka, die zwei Tage lang so unentwegt für die Sache geworben hatte. Ebenso wenig wurde es Onkel Ambrus, der Feldherr der Eierschlacht, und noch weniger Miklós Absolon, der die Leute von der oberen Region hergeführt hatte. Nein! Der Held des Tages war kein anderer als der ausgezeichnete Cseresnyés – zum Beweis, dass ein Schaf, das heimkehrt, mehr Freude bereitet als hundert andere, die sich nie verlaufen haben.

VI.
    László Gyerőffy reiste im August nach Siebenbürgen. Er kam nicht freiwillig. Frau Berédy, die schöne Fanny, hatte ihm lange zureden, ihn beinahe zwingen müssen, seine Vermögenslage endlich in Ordnung zu bringen und seine Schulden zu begleichen, die sich, da er sie bei lauter Wucherern hatte, schrecklich vermehrten, mochte er auch gelegentlich nach Spielgewinn etwas abtragen. Nach seiner Ankunft suchte er den alten Szaniszló auf, seinen einstigen Vormund. László hielt ein Drittel des achttausend Joch umfassenden, gemeinsamen Gyerőffy-Forstbesitzes. Er wollte dieses Drittel herausbekommen und das Holz oder das Ganze mitsamt dem Boden verkaufen. Herr Szaniszló aber wollte davon nichts wissen. Sein Standpunkt besagte, dass man in den Betriebsplan, der für das gesamte Gut ausgearbeitet worden war, nicht eingreifen dürfe. Nein und nochmals nein! László blieb ratlos zurück.

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