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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Er vermochte keine Lösung zu erkennen. Er war sehr schlecht aufgelegt, noch verschlossener und verbitterter als in letzter Zeit immer, seitdem Klára sich verheiratet hatte. Die Selbstanklage und die Trauer ließen jeweils erst am Abend nach, wenn er sich betrank.
    Seit Tagen hatte er schon so gelebt: Er schlief im Hotel bis zum späten Nachmittag, die Nacht verbrachte er weinselig bei Zigeunermusik und die Stunden der Morgendämmerung bei irgendwelchen Mädchen. In diesem Zustand befand er sich, als ihm Bálint in Klausenburg zufällig begegnete. »Was verkommst du mir hier allein? Du fährst mit mir hinaus nach Dénestornya!«, sagte er scherzhaft streng, und Gyerőffy gehorchte, obwohl er barsch zur Antwort gab: »Lass mich in Frieden!« Denn neuerdings stritt und widersprach er gern.
    Frau Róza Abády freute sich sehr über die Ankunft des Neffen. Sie liebte es ohnehin, das Schloss, ihre Pferde und den Garten vorzuführen, doch jetzt, als der Sohn ihr mit ein paar Worten Lászlós Liebesleid schilderte, war Gräfin Rózas romantisches Herz gerührt, und sie wollte sich ihm gegenüber noch freundlicher, verwandtschaftlicher und nachsichtiger zeigen. Sie unterhielt ihn auf alle Arten, und seinetwillen bestellte sie sogar Wein zum Nachtessen, was im Haus sonst nicht üblich war.
    Einige Tage später kam am frühen Morgen Gazsi Kadacsay bei ihnen an. »Baron Gazsi« hatte sich von Alsóbükkös, das an der Landstraße von Felek zwischen Torda und Klausenburg liegt, zu Pferd auf die Reise gemacht zu seinem Regiment in Kronstadt. Er legte die Strecke allein, mit drei Pferden zurück, auf einem ritt, die beiden anderen führte er. »Wie die Kosaken, mein Fcheund«, sagte er mit seiner scharrenden Aussprache und überaus stolz, »auf die Weise der Tatachen!« Er hatte, obwohl die zwei Koppelpferde manche Last hätten tragen können, nichts bei sich außer einem Felleisen, in dem sich zwei ziemlich fadenscheinige Hemden, ein einziger Anzug, eine Zahnbürste und ein schartiges Rasiermesser befanden, denn Gazsi war nicht nur anspruchslos, sondern auch noch darauf bedacht, durch seine scherzhafte Aufmachung bei den Leuten Anstoß zu erregen. Auch diesmal hatte er sich seltsam gekleidet. Er trug die rote Mütze eines gemeinen Husaren, dazu einen Offiziersrock, an dem viele Knöpfe fehlten, eine khakifarbene, von etlichen Flecken bedeckte Reithose sowie Stiefel mit Goldschnur. In dieser ungewöhnlichen Montur stellte er sich in Dénestornya ein.
    Jetzt, nach dem Nachtessen, als Gräfin Róza im Gelben Salon, zugleich ihrem Arbeitszimmer, zurückgeblieben war, um sich Ázbejs Meldung über diese und jene Kleinigkeiten anzuhören, gingen die drei jungen Leute in die Bibliothek hinüber. Auch dies war ein Turmzimmer, das über Bálints Garçonnière lag. Eibenholz-Spiegelkästen reihten sich rundherum den Wänden nach, jeweils drei zwischen den Fenstern, alle mit alten, von vergangenen Generationen gesammelten Büchern gefüllt. Da die ursprünglichen Regale allmählich nicht mehr ausgereicht hatten, erstellte man eine Anzahl niedrigerer Bücherschränke, die, auch sie mit Spiegeltüren, einzeln auf den Kästen plaziert wurden; Bücher reihten sich jetzt auch auf deren Decke, und darüber blickten die Büsten der sieben Weisen auf den herab, der sich in der Mitte des Raums an den mit grünem Filz bezogenen Tisch setzte.
    Baron Gazsi musterte die Bücherregale. László und Bálint saßen am Tisch unter der Hängelampe. Ihre Unterhaltung ging in eine Diskussion über. Als Ausgangspunkt hatte Gyerőffy recht lange seine Erfolglosigkeit gegenüber Szaniszló geschildert, und dabei nahm seine Erbitterung immer mehr überhand. Am liebsten würde er hier alles verkaufen! Wegziehen, fortgehen! Wozu sollte er in Siebenbürgen leben, in dieser kleinen Dreckprovinz? Fort – irgendwohin! Er werde sein Leben leben und genießen, solange er könne, wo auch immer, vielleicht im Ausland … Bálint widersprach auf der Stelle. Lászlós Worte verletzten tief seine innerste Überzeugung, die sich in ihm nach dem Beispiel des Großvaters und aufgrund gelegentlicher Bemerkungen der Mutter allmählich herausgebildet und ihn vom Auslandsdienst nach Hause gebracht hatte.
    »Das ist unerlaubt! Das darfst du nicht tun!«
    »Warum denn nicht? Ich pfeife auf die ganze hiesige Gesellschaft!«
    Zorn bemächtigte sich Bálints, er sprang auf, eine Ader an seiner Stirn schwoll an: »Was bist du anderswo? Noch nicht einmal ein Name, nur eine Nummer,

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