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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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gleich«, sagte er und ging zur Anrichte. Nach kurzer Zeit kehrte er schon mit seinem lautlosen Gang zurück. »Ist Graf Uzdy schon wach?«, fragte Bálint, um etwas zu fragen. Die großen grauen Augen des Butlers blickten womöglich noch trauriger als sonst.
    »Der Herr Graf ist heute bei Tagesanbruch verreist.«
    »Verreist?«, wunderte sich Abády.
    »Ja. Bei Tagesanbruch. Er besucht sein Gut in Bihar.«
    Bálint zögerte. Er wollte nach Adrienne fragen, tat sich aber schwer damit. Erst als Maier sich schon bei der Tür befand, sagte er: »Die junge Gräfin … sagen Sie, bitte … die junge Gräfin?«
    Maier machte nur eine Geste. Er hob die rechte Hand, zuckte stumm die Achseln und verließ das Zimmer.
    Wie schrecklich, dachte Bálint. So, in dieser Ungewissheit kann ich nicht abreisen. Ich muss es erfahren. Ich muss es unbedingt erfahren. Nach einigen Sekunden war sein Plan schon gereift, es stand fest, was getan werden musste. Die alte Gräfin ließ sich nicht befragen, sie würde auf keinen Fall sprechen. Mit Maier hatte er bereits einen Versuch gemacht. Die anderen Diener zu verhören, dies schien ihm ekelhaft und gemein. Alle diese Argumente stellten sich augenblicklich und mit entscheidendem Gewicht ein. Sie verkündeten mit lauter Beweiskraft, dass es nur einen Weg gab. Insgeheim und uneingestanden flüsterte ihm ein anderer Grund den gleichen Rat zu. Obwohl nur geraunt, tönte er wie ein Befehl. Der Mann vernahm ihn auch wider Willen. Er nahm ihn nicht zur Kenntnis, er suchte ihn zu vertreiben. In ihm, sagte er sich, lebte jetzt das Mitleid allein! Doch als er sich an den Schreibtisch setzte und rasch ein paar Worte kritzelte, wirkte seine Miene keineswegs mitfühlend. Es war das Gesicht des jagenden Männchens. »Um die Mittagszeit fahre ich selbstverständlich weg. U. ist schon fort. Es wäre schrecklich, wenn ich Sie nicht sehen dürfte. Wer weiß, wann ich Sie wiedersehen kann? Ich flehe Sie an, mir für eine einzige Minute zu gestatten, Sie zu besuchen. Alles, was Konvention ist, spielt jetzt wirklich keine Rolle. Ich flehe Sie an! In Ergebenheit …«
    Er hatte dies auf eine Visitenkarte geschrieben. Im Schreibtisch fand er einen Umschlag, den er zuklebte.
    Als er mit dem Ankleiden und dem Packen fertig wurde, trat er auf den Korridor hinaus. Er ging auf und ab, wartete, spähte nach Jolán, Adriennes Stubenmädchen, die er von Klausenburg her gut kannte. Nach kurzer Zeit traf er sie.
    »Wenn … wenn es möglich wäre, bitte ich Sie, dies hier der Gräfin zu übergeben … wenn sie nicht Fieber haben sollte … wenn möglich … Und falls sie eine Antwort gäbe, bin ich da, ich rühre mich nicht …«
    Das Stubenmädchen verschwand um die Ecke des Korridors. Bálint wartete. Durch das Fenster sah er die alte Frau Uzdy, die in Richtung des Schlosses davonschritt.
    Das trifft sich gut, dachte er, und wartete weiter. Allmählich verlor er die Hoffnung, als unerwartet Jolán neben ihm stand. Sie brachte den aufgerissenen Umschlag zurück. Ein paar auf Englisch geschriebene Wörter standen darauf: »In half an hour.« Er schaute auf seine Uhr, was er danach alle zwei bis drei Minuten tat. Endlich war die halbe Stunde vorbei. Er begab sich zu ihrem Zimmer und suchte dabei langsam, mit gleichmäßigen Schritten zu gehen. Es fiel ihm nicht leicht; als berührten seine Füße den Boden nicht. Das Herz schlug ihm im Hals. Nach der Kehre folgte der unbekannte Teil des Korridors. Türen reihten sich rechter Hand wie in einem Hotel. Dann am schmalen Ende des Gangs nochmals eine Tür, wo das Stubenmädchen stand. Als er dort ankam, öffnete sie ihm wortlos. Bálint trat ein.
    Man hatte die Jalousien geschlossen und auch die Vorhänge zugezogen. Das Zimmer lag beinahe vollständig im Dunkeln. Eine wohlriechende Dunkelheit herrschte, es roch nach Mandeln oder nach Nelken, doch rührte es nicht von einem Parfum her, von nichts Künstlichem, es war der nicht starke, aber betörende, beglückend warme, intime Frauenduft. Seltsam berauschend wie ein Getränk wirkte er. Und seine Augen, an die Dunkelheit langsam gewöhnt, erblickten Adriennes Bett. Es stand vor ihm zwischen den zwei dämmrigen Fenstern.
    Es war ein sehr breites und sehr niedriges Bett, eher eine Ottomane, mit lauter Spitzen bedeckt, die auf allen Seiten bis zum Boden hinabfielen. Alles schneeweiß. Zwei kleine, rußfarbene Flächen zeichneten sich einzig nahe zur Wand ab – Adriennes aufgelöstes Haar, das neben ihrem Gesicht Dreiecke bildete. Der

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