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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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etwas anderes im Schreiben gestanden wäre, hättest du den Revolver bestimmt gar nicht gekauft.«
    »Ich verstehe nicht …«
    Die Miene der Frau wurde ernst. Ihre topasfarbenen Augen blickten mit verengten Pupillen weit hinaus auf die herrliche Landschaft, weiter hinunter auf das Almás-Tal und jenseits der bewaldeten Hügel auf die im Dunst schimmernden blauen Linien der Berge. Sie lehnte das Kinn auf die Faust, sodass sich ihre Lippen noch trotziger zurückbogen. Ganz leise, stoßweise sprach sie: »Ich habe beschlossen, für die da … kein Kind mehr auszutragen. Wozu? Sie nehmen es mir ja doch weg. Nein! Nie wieder! Nie! … Nur so wie ein Zuchttier? … Nein. Wenn mir das widerfahren sollte …« Nun schwieg sie einige Augenblicke, und dann sagte sie entschlossen: »Wenn es anders nicht geht, werde ich mich erschießen …« Und nun lachte sie von neuem – bitter und schadenfreudig: »Das wird für Uzdy die Überraschung sein, über die ich dir geschrieben habe!«
    Bálint hörte erstarrt zu. Fürchterliche Ahnungen und tiefes Mitleid ergriffen ihn, Tränen traten ihm in die Augen.
    »Addy! Liebste! Das darfst, nein, das darfst du nicht tun!«
    Er nahm die Hand der Frau. Sie war weich, nachgebend, die Finger bogen sich willenlos. Nach der Hand fasste er sie am Arm, und dann begann er, den Körper der Frau an sich zu ziehen. Sie jedoch drückte ihm für einen Augenblick fest die Hand und schob ihn von sich weg. »Nein, das nicht. Nicht jetzt. Lass mich jetzt …« Adrienne erhob sich bald und setzte den Weg zum Turm fort. Sie plapperte fröhlich, gewiss wollte sie die Wirkung ihrer früheren Worte überspielen. Sie blieben ziemlich lange oben. Als sie sich auf den Rückweg machten, ging die Sonne schon unter.
    Sie kamen zum grasbewachsenen Hang zurück, und beide, Bálint oben und Adrienne weiter unten, folgten jetzt einer Weidenfährte, um den Block des Felsentors zu umgehen. Die Kehre der unteren Spur lag tiefer. Adrienne schritt schon am Felsrand, ganz weit außen. Abády wollte ihr gerade zurufen, dass es dort gefährlich sei und dass sie heraufkommen solle, als sie die Arme schwenkte und plötzlich in der Tiefe verschwand. Sie hatte sich hinuntergestürzt – ohne einen Schrei, wortlos, ohne jeden Laut. Nicht einmal ein Stein rollte hinter ihr her. Bálint rannte nach dem ersten, stummen Entsetzen in wahnwitziger Angst um die Felswand. Adrienne stand schon auf den Beinen und wischte ihre Handschuhe ab, denn sie hatte sich auf der nass aufgeweichten Erde aufgefangen. Sie lachte. »Solch ein Stumpfsinn! Ich bin ausgerutscht«, log sie. »Ein Glück, dass der Boden hier weich ist … Nein, ich habe mir nicht wehgetan. Oh, dieser Fels hier ist nicht so hoch. In der Turnhalle haben wir solche Sprünge oft gemacht … Weißt du, als Backfisch habe ich darin alle überboten … immer …« Und sie erzählte und machte Späße, obwohl sie sehr bleich war und ihre übliche Farbe erst am Ende des Spaziergangs wiedergewann.

    Zum Nachtessen erschien sie nicht. »Meine Schwiegertochter ist ein wenig unpässlich«, teilte die verwitwete Gräfin in ihrem zeremoniell kühlen Ton mit. Uzdy schien zerstreut und sorgenvoll. Eine Falte an seiner Stirn zwischen den schrägen Satansbrauen verschwand nie. Dennoch diskutierte und scherzte er, wiewohl sein ständiges sardonisches Lächeln – vielleicht auch nur aus Gewohnheit – ihm die Mundwinkel auseinanderzog. Im Verlauf des Abends verließ er manchmal den Salon. Später vernahm man das Gerassel einer Kutsche, die offenbar aus dem Hof hinausgebraust war. Das Getrappel der Pferde verlor sich in der Nacht. Nach zehn Uhr begaben sich schließlich alle in ihr Zimmer.
    Bálint lag mit zusammengebissenen Zähnen im Bett. Die Geschehnisse des Tages zeigten sich erst jetzt allmählich in der Übersicht. Erst jetzt sah er die Zusammenhänge … Arme Addy, wie entschlossen, wie verzweifelt sie ist … Jetzt erst begriff er alles.
    Gegen Mitternacht hörte er wieder einen Wagen. Flüstertöne und eilige Schritte im Korridor. Bestimmt war ein Arzt gekommen. Dann herrschte wieder Stille, in der nur das Herz des jungen Mannes klopfend die Minuten zählte. Viele kummervolle Minuten vergingen so.
    »Arme Addy!« Es dämmerte bereits, als er endlich einschlief. Im Halbschlummer schien ihm, als knatterte wieder ein Wagen, der sich rasch entfernte.

    Früh, in Unruhe erwachte er. Jemand bewegte sich im Korridor. Er blickte hinaus. Es war Maier, der alte Butler. »Ich bringe Ihr Frühstück

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