Die Schrift in Flammen
kam es ihm vor, als gebe es da auch etwas anderes, etwas Unbekanntes und Geheimnisvolles, irgendein »Meinetwegen«, das nicht so einfach und alltäglich war wie das, was er sich vorstellte. Indessen fühlte er mehrmals, dass Uzdys Blick auf ihm ruhte, und darin lagen Hohn und Geringschätzung, und was noch verletzender wirkte: fast Mitleid.
Nach dem Mahl ging er zusammen mit Adrienne hinaus auf die Terrasse. Später brachen sie zu einem Spaziergang auf.
»Ich nehme Sie mit auf den Burghügel«, sagte Addy, »Sie werden sehen, welch schöne Aussicht sich von dort eröffnet.«
Auch Uzdy kam mit, begleitete sie aber nur bis zur Ecke des Schweizer Flügels. »Ich kann mich euch leider nicht anschließen, ich muss die täglichen wirtschaftlichen Berichte des Guts in meine Bücher übertragen.« Da er sah, dass Bálint ihn fragend anblickte, fuhr er erklärend fort: »Ja, jeder meiner Gutsverwalter erstattet Tag für Tag Bericht: über das Wetter, die Futtermengen, die Tagelöhner, die Arbeit, die Milcherträge und die Zunahmen, über alles. Und ich füge dies am Nachmittag in die entsprechenden Rubriken ein. Ich mache auf dieser Grundlage auch grafische Darstellungen. Das allerdings geht mit viel Kleinkram einher. Auf diese Weise bin ich aber über alles im Bild, auch wenn ich mich nicht am Ort befinde. Und sie haben Angst, und das braucht es, das ist vorzüglich!«
Jetzt lachte er und verabschiedete sich. »Nun vertraue ich Adrienne dir an. In den besten Händen ist sie, versteht sich! In den kundigsten Händen. Oh, ich habe volles Vertrauen, dass du sie behüten wirst … versteht sich!«
Er ging mit seinen gemessenen, bedächtigen Schritten die knarrende Vorbautreppe hinauf, und von oben rief er den beiden noch nach: »Spaziert nur! Das tut gut, spaziert möglichst viel … versteht sich, natürlich! … Spaziert nur!« Und seine schlaksige Gestalt verschwand langsam in der dunklen Türöffnung.
Die beiden näherten sich schon nach einer halben Stunde der Burgruine. Als Erstes kamen sie an ein Felsentor, das man einst in das Gestein gehauen hatte. Ein Feldweg zog sich jetzt dort hindurch, er verlief zwischen drei bis vier Meter hohen, steil abfallenden Wänden. Doch diese Straße führte nach Nagyalmás. Wer zur Burg wollte, musste die Stelle auf einem schmalen Pfad umgehen und gelangte über die Felswand auf einen gewundenen Weg am Abhang. Dieser war anfänglich recht steil, vor der Ruine aber hatte man nur noch eine sanft ansteigende Wiese zu durchqueren.
Bis dahin hatten sie sich kaum unterhalten, Adrienne fragte nur einmal nach dem Revolver: »Sie haben ihn mitgebracht, nicht wahr?« Dann fiel kein Wort mehr. Oben aber, nachdem sie sich auf einen Haufen abgerutschter Steine gesetzt hatten, bat sie um die Waffe. Bálint nahm den kleinen Browning heraus. Er steckte in einem hübschen Lederfutteral, in dem auch zwei Magazine und die Patronen Platz fanden. »Ach, wie nett!«, rief die Frau wie ein Kind, das sich über ein Spielzeug freut. Sie nahm ihn geschickt heraus, man sah ihren Handbewegungen an, dass sie mit Uzdys Revolvern schon geübt hatte. Sie prüfte die Waffe fachmännisch, dann legte sie ein Magazin ein und ließ den Lauf zurückklappen. »Gleich werden wir ausprobieren, was er kann!« Sie zielte auf eine dickere, etwa zehn Schritte entfernte Eiche und schoss. Die Kugel riss am Stamm eine dünne, gelbe Wunde in die Rinde. »Der ist gut, ich danke sehr, wirklich lieb, dass Sie ihn mitgebracht haben …«
Bálint dachte immer noch über den höhnischen Satz nach, mit dem er Adrienne beleidigen, ihr zu verstehen geben könnte, dass er die Veränderung an ihr wohl bemerkt hatte und dass er sich nicht zum Narren halten ließ. Lange forschte er vergeblich nach Worten. Endlich fand er etwas. Er versuchte es mit dem scherzhaften Ton, doch er schaffte es nicht; seine Stimme klang hart und verletzend: »Für welches Freudenfest haben Sie dieses Geschenk vorgesehen?«
»Ein Geschenk? Für wen?«
»Nun, Ihren … liebenswerten Mann!«
»Oh, oh!«, lachte die Frau. »Sie glauben … Sie haben geglaubt … Du hast wirklich geglaubt, wirklich …«
»Das stand doch in Ihrem Brief.«
Als es Adrienne endlich gelang, das Lachen zu überwinden, drehte sie sich ihm zu, legte aber zuvor die Waffe sorgfältig in ihre mitgebrachte Tasche.
»Im Brief stand nur, dass ich Uzdy überraschen will. Es ist zwar wahr, man könnte das auch auf diese Weise verstehen … Und ich musste es so schreiben, denn sonst, wenn
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