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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Frauenkopf wirkte sehr orientalisch, fast ägyptisch – die Göttin Hathor oder Sephket mit dem Löwenhaupt –, wie sie mit ihrer Elfenbeinhaut, mit der feinen, leicht gebogenen Nase und dem breiten Mund, in die aufragenden, schwarzen Haare gebettet, vor ihm dalag. Die Decke reichte ihr bis zum Hals, das Kinn schien über dem Schaum der hohen Spitzenkissen zu schweben.
    Bálint brauchte jetzt seine ganze Selbstbeherrschung. Er zwang sich, die allersachlichste Miene aufzusetzen. Er tat gut daran, denn Adriennes Augen musterten ihn verstört und argwöhnisch, sie prüften ihn misstrauisch, beinahe bedrohlich. Bálint jedoch sprach unbefangen, er machte Scherze, sein Ton unterschied sich vom üblichen in keiner Weise; er hätte auch vor hundert Menschen so sprechen können, ob in einem Salon, auf einem Ball oder vor bösartigen alten Frauen, welche die Ohren spitzten.
    »Darf man einen so erschrecken – eine solche Verrücktheit begehen?«
    Ein winziges Lächeln erleuchtete Addys Gesicht, und langsam, mit einer streichelnden Vorhaltung sagte sie: »Wäre dir die andere Lösung lieber gewesen?«
    Sie unterhielten sich noch einige Minuten, doch worüber, daran sollte sich Bálint nie mehr richtig erinnern. Er musste seine ganze Kraft aufbieten, damit Addy das in ihm tobende wilde Verlangen nicht bemerkte. Nur auf diese Art vermochte er gemessen und kühl zu bleiben. Er musste sich so benehmen, denn eine einzige Bewegung oder ein einziger Blick hätten ihn verraten. Die Berückung, der alle seine aufgewühlten Sinne unterlagen, wäre offenbar geworden. Er nahm alles wahr, mit halb geschlossenen Augen sah er, wie sich der Frauenkörper unter der Decke abzeichnete, doch er blickte einzig in ihr Gesicht, das abermals unerwartet und anders und neu war. Er las darin: Das Gesicht erschien bekümmert, doch auch merkwürdig erfreut. Es strahlte eine unbewusste Freude aus. Die Frau spürte, wie schön, welch begehrenswerte Liebesbeute sie war, und Besorgnis mischte sich zugleich in ihr Gefühl darum, weil der Mann sie jetzt so sah, weil er sie nie vergessen und die erbarmungslose Jagd auf sie fortsetzen würde … All dies spiegelte sich in den großen Bernsteinaugen, an der leicht klagenden Stirn und den vollen Lippen. Ach, es wäre besser gewesen, ihn nicht vorzulassen, sie hätte ihm den eigenen Anblick im Bett nicht bieten sollen. Und doch schien es ihr auch gut, dass sie ihn hereingelassen hatte, dass er sie so zu sehen bekam, dass er sah, wie begehrenswert sie war. Der rufende und Flucht befehlende Instinkt lag hierin.
    Bálints scheinbare Unbefangenheit beruhigte sie allmählich. Vorsichtig, um die Schulter nicht zu entblößen, nahm sie eine Hand unter der Decke hervor und überließ sie ihm.
    Nun aber musste er fort! Fort, damit man nicht begann, nach ihm zu suchen. Der junge Mann beugte sich über sie, sein unbewegliches Gesicht näherte sich sachte ihrem Mund. Die Augen der Frau zuckten wieder schreckhaft, doch dies dauerte nur eine Sekunde, denn Bálint küsste sie behutsam und kühl, beinahe brüderlich. In der Tür wandte er sich noch um: »Yours truly«, flüsterte er die mehrdeutige englische Redewendung: »Ihr getreuer« – eine nichtssagende Korrespondenzformel und ebenso eine ewige Verpflichtung.
    Die Sonne schien ihm im Korridor ins Gesicht. Er kam sich vor wie erblindet. Doch nicht Feuerringe tanzten hinter seinen geschlossenen Augenlidern, sondern ein ägyptisches Gesicht, das in einem Gekräusel – fürchterlich und wunderbar – kurze, schwarze Schlangenlinien beschrieb, während zwei Riesenaugen ihr gelbes Licht auf ihn warfen. Er gelangte unbemerkt in sein Zimmer zurück. Nun suchte er die verwitwete Frau Uzdy auf. Er war imstande, mit der alten Dame eine leere Konversation zu führen, bis er ein Gespann bestieg, das ihn in aller Eile nach Hunyad bringen sollte. Erst jetzt, nach all den Gefahren einer Entdeckung, wo es nun in rasendem Tempo Hügel aufwärts, in Täler hinunter und über weite Bergrücken ging, jetzt erst entfesselten sich die in ihm tobenden Leidenschaften. Ihm schien, er fliege mit ausgebreiteten Flügeln durch die Welt, schwebe mit geweiteten Lungen und kochendem Blut hinweg über Wälder, Felder und Haine. Flammen loderten in seinen Adern, als ob er einen süßen Zaubertrank getrunken hätte, Gift durchdrang ihn, das Fesseln, Verbote, Klugheit, alles vernichtete, nichts mehr war von der weisen Überlegung geblieben, von der Warnung, dass es für ihn gefährlich und fatal wäre,

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