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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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gebeten hatte und der es stets vorzog, mithilfe der Natur zu heilen, verordnete ihr einen Aufenthalt an der Riviera. Man musste Frau Róza lange zureden, bis sie zustimmte. Sie stimmte zu, stellte aber Bedingungen. Die erste besagte, dass sie nur in Begleitung ihres Sohnes reisen würde und nur wenn er während des Aufenthalts bei ihr bliebe; die zweite: Statt an die teure und mondäne Riviera wolle sie an einen billigen und einfachen Ort irgendwo östlich von Genua. Vielleicht hatte sie jene Gegend gemeinsam mit ihrem Mann auf der Hochzeitsreise besucht und sehnte sich deshalb zurück.
    Bálint schrieb unverzüglich an einen befreundeten Diplomaten, der in Wien an der italienischen Botschaft diente, und die Antwort traf nach einigen Tagen ein. Er empfahl Portofino und da ein kleines Hotel von gutem Ruf. So machten sie sich an die Vorbereitungen und ans Packen.

    Wegfahren! Wegfahren für mehrere Monate! Adrienne jetzt zurücklassen! Wo er ihr doch zuletzt so nahegekommen war! Es war seine Pflicht, die Mutter zu begleiten. Doch wegzugehen so ohne Abschied, ohne sich zuvor wiederzusehen – unmöglich! Er musste sie treffen, mit ihr unter vier Augen lange zusammen sein. Und als er sich ihren Abschied vorstellte, tauchte vor ihm gleich die Möglichkeit auf, dass sich die Frau, wenn schon nicht bereitwillig, so doch vor Rührung ergeben könnte. Nein! Diese Aussicht bestand kaum, aber er könnte sie gewaltsam nehmen, wenn sich dazu Zeit und Gelegenheit fänden. Zumindest einmal würde sie ihm angehört haben, und das Verlangen nach ihrem mädchenhaften Körper hörte dann auf, ihn dermaßen zu quälen. Dies erwog er, machte sich einen Plan und schrieb einen Brief: Er müsse verreisen, wolle sie aber sehen, dies aber nicht bei ihr in Almáskő, sondern irgendwo, wo sie allein sein könnten, vielleicht in Klausenburg. Zum letzten Mal wolle er sie sehen, wer weiß, wann sie sich wiedertreffen würden; ohne Abschied könne er aber nicht fort, er müsse, müsse sie nochmals treffen, und das allein, zu zweit, frei und nicht nur für Augenblicke, sondern in Ruhe, lange, wo nur sie beide zusammen wären … Es war ein schlauer Brief, heiß und unterwürfig, geschrieben mit Frauenkenntnis und mit der Tücke des jagenden Mannes.
    Die Antwort traf nach einigen Tagen ein.
    Sie könne, schrieb Adrienne, sich zurzeit von ihrem Wohnort nicht entfernen, »die da« würden jeden Vorwand durchschauen. Aber ja! Auch sie möchte ihn vor seiner Abreise unbedingt sehen. Unter diesen Umständen biete sich eine einzige Möglichkeit an. Bálint solle sich an der Grenze des Abády-Forstbesitzes einfinden, gegenüber dem Kahlschlag, wo er den Rehbock erlegt hatte. Am Morgen um zehn Uhr solle er beim Grenzrain stehen. »Auch ich werde pünktlich sein.« Er müsse bei jedem Wetter kommen. Dies sei die einzige Möglichkeit, die einzige Lösung. Am kommenden Mittwoch also, am 22., Schlag zehn Uhr …
    Das nun war nicht, was Bálint erhofft hatte; doch einerlei, wenn es nur schönes, trockenes Wetter gab und keinen feuchtkalten Novemberregen. Ob in einem Zimmer oder draußen in dem von dürrem Laub bedeckten Wald – seinem Begehren war das einerlei.

    Die Turmuhr in Nagyalmás hatte weit unten im Tal noch nicht einmal neun geschlagen, als Bálint bereits am vereinbarten Ort stand. Hier oben, am Grenzrain auf der Hochebene, zog sich der Waldweg hin, der die Hügellandschaft durchschnitt und die Gewässer, die in den Sebes-Körös mündeten, vom Bach Almás trennte. Der junge Mann verblieb nicht auf dem Pfad, sondern zog sich zurück an den Fuß einer stattlichen Buche; von hier ließ sich die Halde, die vor ihm lag, gut einsehen; er überblickte die ganze Einbuchtung des Uzdy-Forstbesitzes und hatte Sicht auch weiter in die Ferne, wo der Weg am Rand des steilen Abhangs verlief.
    Er hatte Glück, das Wetter war prächtig: einer jener trügerischen Spätherbsttage, die uns vorgaukeln, dass uns kein Winter bevorsteht, sondern dass wir uns noch immer im Nachsommer befinden. Auch die Bäume hatten ihr Laub noch nicht abgelegt, allerlei flammende Farben prangten in der Runde, von Zitronengelb über die verschiedensten Goldschattierungen bis zum bronzenen Hochrot, und wo der Rand von Böschungen sichtbar war, spross frisches grünes Gras, hier und dort blühten sogar verspätete Blumen. Bálint hatte dafür keine Augen, er beobachtete einzig den Weg auf der anderen Seite. Nur einmal schritten einige Leute vorüber, die vielleicht zu Fuß nach Bánffyhunyad

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