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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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seiner Stummelpfeife stets zu. Auch Bálint Abády hielt sich den ganzen Tag dort auf. Er sprach kaum, hörte bloß den anderen zu. Er hatte Adrienne versprochen, ihr zu berichten.
    Gyerőffy blieb unsichtbar. Er hatte sich in seinem Hotelzimmer eingeschlossen und ließ außer seinen Sekundanten niemanden vor. Selbst ihnen gab er wortkarge Antworten und lieferte keinerlei Erklärung dafür, warum er Wickwitz als Schurken beschimpft hatte; man befragte ihn vergeblich, was »Blau« bedeute. »Nein!« Er schwieg sich aus, und man sah ihm an, dass er kaum erwarten konnte, allein gelassen zu werden. Wenn aber die anderen abzogen, entnahm er dem Kasten die Cognacflasche, und er trank.
    Am Vormittag des vierten Tags kam endlich eine Einigung zwischen den Militärs und Lászlós Sekundanten zustande. Eine magere Einigung, aber doch eine Lösung. Der Kommandant nahm – allerdings nicht offiziell, wie er betonte – zur Kenntnis, dass Gyerőffys Sekundanten wegen der Bedingungen nicht ein Ehren-, sondern nur ein Waffengericht befragten, und er ließ wissen, dass er zwar eine Verfügung dieses Gerichts nicht für verbindlich halte und es nicht anerkenne, dass er aber seine Offiziere gemäß dessen Beschluss anweisen werde. Oberstleutnant Zdratutschek handelte nicht aus eigenem Antrieb so, sondern weil der Divisionskommandant angesichts der zunehmenden Spannung in der Stadt ihm hatte ausrichten lassen, irgendeine Lösung zu finden und die Sache zu einem Ende zu bringen. So würde sich nun um halb drei das Gericht versammeln, und um Viertel nach drei könne das Duell stattfinden.
    Wickwitz hatte die Zeit bisher ausschließlich unter seinen Offizierskameraden verbracht. Am ersten Tag plagte ihn die Sorge, ob Gyerőffy die Dinóra-Blau-Sache wohl erzählen werde. Auf diese Weise könnte er dem Duell aus dem Wege gehen. Da er aber vonseiten seiner Sekundanten unverändert freundlich behandelt wurde, beruhigte er sich: Der Gegner bewahrte Schweigen. Jetzt, als ihn die Sekundanten am vierten Tag um die Mittagszeit aufsuchten und anwiesen, um drei Uhr bereitzustehen, war er überaus erfreut. Na endlich! Morgen in aller Frühe würde er Judith mitnehmen! Auf und davon! Rasch warf er einige Zeilen auf Papier: »Morgen früh vor fünf Uhr erwarte ich Dich am Bahnhof im Wartesaal zweiter Klasse …« Hier angelangt, dachte er nach. Irgendein geschickter, warmherziger Satz wäre noch nötig. Die Mädchen liebten dergleichen. Er überlegte lange, und da er nichts anderes fand, setzte er hinzu: »Ewig Dein!« 29 Das würde es schon tun! Er verschloss den Brief in einem Umschlag und schickte ihn durch den Lohndiener im Hotel an Zoltánka ins Kollegium. Er würde ihn Judith bestimmt übergeben.

    Das Waffengericht versammelte sich im Casino. Seine Mitglieder: der alte Alvinczy und Tihamér Abonyi, der sich aus Anhänglichkeit gegenüber Wickwitz so sehr empfahl, dass man ihn schließlich gewählt hatte. Sándor Kendy, Kajsza, »der Krumme«, wurde gebeten, den Vorsitz zu übernehmen. Halb drei war noch kaum vorbei, und die Genannten hatten sich, zusammen mit Gyerőffys Sekundanten, bereits ins Bibliothekszimmer zurückgezogen. Man schloss auch die Tür des benachbarten Raums, damit kein Laut hinausdrang.
    Der Salon, wo der Kamin stand, hatte sich mit Menschen gefüllt, das Billardzimmer ebenso. Alle verharrten in Erwartung: »Was kommt heraus? Wie soll es zugehen? Was werden sie da drinnen beschließen?« Fest stand, dass sie sich auf schwere Bedingungen einigen mussten, wenn auch nicht auf jene, welche die Sekundanten von Wickwitz gefordert hatten. Man diskutierte, Argumente wurden in wildem Durcheinander angeführt. Auch Abády, wortlos, saß unter den Leuten. Ihn kränkte es sehr, dass da jedermann klüger sein wollte und mit Gusto debattierte, keiner aber einen Gedanken darauf verschwendete, was mit dem armen László Gyerőffy geschehen würde, wenn man ihn und seinen athletischen Widersacher, der als erstrangiger Fechter galt, aufeinander losließe. Verletzt fühlte er sich auch dadurch, dass László seine Tür nicht einmal für ihn ein einziges Mal geöffnet hatte.
    Das Gericht verhandelte schon seit einer Viertelstunde. Alle Augen hingen an der inneren Tür. Stattdessen ging die Vorzimmertür auf. Baron Egons Sekundanten, der Infanteriehauptmann und der Oberleutnant, den Säbel umgürtet, traten ein. Ihre Gesichter waren finster, ihre Haltung steif. Sie trugen den Waffenrock, ihren Tschako hielten sie in der Hand. Sie erkundigten sich

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